ZUVERSICHT FÜR DAS KOMMENDE
Und die Hirten kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Und als acht Tage um waren und er beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war. <div
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich sagte zu dem Engel an der Schwelle des Jahres: „Gib mir ein Licht, damit ich festen Schrittes in die Ungewissheit des neuen Lebens gehen kann.“ Aber er antwortete mir: „Geh hinein in die Ungewissheit und lege deine Hand in Gottes Hand, das ist mehr wert als ein Licht und sicherer, als den Weg zu wissen.“ – So schreibt Minnie Louise Haskins in einem ihrer Essays.
UNGEWISSHEIT
Ja – Ungewissheit ist wohl das Wort, mit dem sich am ehesten die
Situation vieler Menschen heute beschreiben lässt. Nicht nur jetzt
zur Jahreswende, vielmehr generell, angesichts einer Vielzahl
existentieller Bedrohungen: Terrorismus, Kriegsgefahr, Klimawandel und
Wirtschaftskrisen. Ganz zu schweigen von den ganz eigenen und privaten
Krisen …
HALTUNGEN, DER UNSICHERHEIT ZU BEGEGNEN
Es gibt unterschiedliche Haltungen, mit denen Menschen auf die
Ungewissheit in ihrem Leben reagieren. Etliche flüchten sich dabei in
Wut und Verzweiflung. Sie toben ihre Angst und ihren Hass in sozialen
Netzwerken oder radikalen Parteien aus. Andere machen für alle Übel
passende Sündenböcke aus. Und dann ist da noch die alles zerstörende
Gefahr der Depression – wir haben dies alle im Oktober auf so
schreckliche Weise erleben müssen …
Aber es gibt noch eine andere Art, auf das Ungewisse im Leben zu reagieren. – Manche sind überzeugt: Man dürfe die Hoffnung nicht verlieren, dass am Ende doch alles gut ausgehe. Man müsse sich in positivem Denken üben. Diejenigen, die so denken, haben meist (nicht immer) auch die Kraft der Spiritualität und des Glaubens für sich entdeckt.
WENN HOFFNUNG NICHT TRÄGT, WAS DANN?
Doch was ist, wenn all dies nicht funktioniert und greift? – Nicht
jeder und jede ist offen für diese Hoffnung jenseits von Logik und
Verstand … Und – wie geht ihr, liebe Brüder und Schwestern, mit der
Ungewissheit dieses Lebens und des eigenen um? Welche Strategie habt
ihr für euch entwickelt? Was hält euch am Leben, wenn vieles ins
Wanken gerät und fragwürdig wird?
„DIE WELT IST GOTTES VOLL“
Der Alfred Delp, der gläubige Katholik im Widerstand gegen das
NS-Regime schreibt im Angesicht seines Todes aus seiner Zelle im Jahr
1944: „Das Eine ist mir so klar und spürbar wie selten: Die Welt ist
Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns
entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und
bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den
Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott hervorströmen. – Das gilt für alles
Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und
fragt und will die anbetende, hingebende Antwort. Die Kunst und der
Auftrag ist nur dieser: Aus diesen Einsichten und Gnaden dauerndes
Bewusstsein und dauernde Haltung zu machen und werden zu lassen. Dann
wird das Leben frei in der Freiheit, die wir oft gesucht haben.“
DIE FRAGE NACH DER MENSCHLICHEN ZUVERSICHT
Diese Haltung und dieses Bewusstsein der Gegenwart Gottes in der Welt,
wie sie Delp beschreibt und meint, das ist es, was wir heute brauchen.
Wir brauchen eine Zuversicht, die nicht die illusionäre Hoffnung hegt,
sondern einen klaren Blick für den Ernst der Lage behält. Eine
Zuversicht, die sich nicht lähmen lässt, sondern die Spielräume nutzt,
die sich auftun – und seien sie noch so klein. – Damit man mich nicht
falsch versteht: Es geht dabei nicht um eine naive Hoffnung, dass am
Ende irgendwie alles wieder gut werde.
DIE ESSENTIELLE FRAGE
Die Frage nach der Zuversicht und der Hoffnung ist in meinen Augen
heute eine der entscheidenden Fragen. Wie also kann der Mensch, dem
möglicherweise die alten Zukunftserwartungen zerstoben sind, noch eine
positive Perspektive entwickeln? Was erzeugt jene Hoffnung, die
unabdingbar für das Weiterleben ist?
DIE ALLES ENTSCHEIDENDE LEBENSENERGIE
Bevor ist auf diese Frage eingehe, zunächst noch einige grundlegende
Gedanken. Zuversicht und Hoffnung – ich denke, da sind wir uns einig
– sind die alles entscheidende Formen der Lebensenergie. Zuversicht
und Hoffnung sind der Antrieb, der tief im Menschen ruht, der unsere
Existenz überhaupt erst möglich macht. Ohne ein Mindestmaß an
Zuversicht und Hoffnung würde kein vernünftiger Mensch Kinder in die
Welt setzen. Ja, ohne ein Mindestmaß an Zuversicht und Hoffnung würde
keiner von uns überleben können.
CHRISTLICHE ZUVERSICHT TRÄGT EINEN NAMEN
Wir Christen, liebe Brüder und Schwestern, haben allen Grund zur
Zuversicht und Hoffnung; denn diese trägt einen Namen: Jesus Christus!
Er ist unser Grund; der Grund, auf dem wir immer noch zu stehen
kommen, wenn alles um uns herum ins Wanken geraten ist. Er ruft uns
beim Namen, aus dunkler Nacht hinein ins neue Morgenrot. Er berührt
uns mit seiner Liebe und führt uns in seine große Freiheit. – Sein
Geist bewegt uns, stärkt uns und macht uns frei, mutig neue Wege in
Zuversicht zu beschreiten und Zukunft zu gestalten. – Dass uns dies
gelingen möge, und wir, der Einladung des Engels an der Schwelle zum
neuen Jahr nachkommend, unsere Hand in Gottes Hand legen können, darum
wollen wir alle heute bitten und beten.
Amen.
Pastor Michael Bracht
Dezember 2024
Der PREDIGTDIENST wird herausgegeben vom Pfarramt der Kirchengemeinde
Sankt Petri Wuppertal.
Wichtiger Hinweis: Es wird hier das Manuskript wiedergegeben. Es gilt
jedoch das gesprochenen Wort!