Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
„Geteiltes Leid ist halbes Leid.“
Liebe Gemeinde,
vielleicht habt ihr das in eurem Leben bereits erlebt? Vielleicht hast du schon mal erlebt, wie das ist, wenn man Schweres durchmachen muss, wenn das Leben zur Last wird, wenn man mit den Dingen nicht fertig wird. Und was dann passiert, wenn du dieses Leid, diese Angst, diese Nöte mit jemanden teilen kannst. Wenn man sich einer vertrauten Person öffnet, die Dinge von der Seele redet, wenn man ausspricht, was einem belastet.
Man macht dabei oftmals die Erfahrung (zumindest geht es mir so), dass es einem hinterher besser geht! Denn: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Da, wo ich meine Sorgen und Nöte, wo ich mein Leid mit anderen teile, da wird dieses Leid ja im wahrsten Sinne des Wortes „geteilt“ – da nimmt mein Gegenüber mir gewissermaßen etwas ab. Da wird es für mich leichter, erträglicher. Ich habe nun jemand, der weiß, was ich durchmache, der mich unterstützen kann, der für mich beten kann. „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“
Genau das ist es, was der Apostel Petrus den Christen in Kleinasien vorschlägt. Er schreibt (so lesen wir es zu Beginn des Briefes) an die auserwählten Fremdlinge, die in der Zerstreuung leben (V.1), die jetzt eine kleine Zeit […] traurig sind in mancherlei Anfechtungen (V.6).
Es geht diesen Christen in Kleinasien, gelinde gesagt, richtig schlecht! Nero hatte bekanntlich Christen für den Brand Roms im Jahr 64 verantwortlich gemacht. Damit wollte er die Gerüchte, dass er selbst Auslöser des Brandes gewesen sei, zum Schweigen bringen. Die römische Propaganda scheint insbesondere im nördlichen Teil Kleinasiens erste Verfolgungswellen ausgelöst zu haben, etwa um die Zeit, als Petrus diese Zeilen schreibt.
Diese Situation bedeutete für die Christen dort nicht nur Verleumdung oder Schikanen im Alltag, es bedeutete letztendlich, dass viele von ihnen um ihres Glaubens Willen verhaftet und gefoltert, ja sogar getötet wurden. Es war eine ernste und zutiefst bedrohliche Situation! Wir können uns kaum vorstellen, was da in den Köpfen dieser Menschen vor sich ging. Sie wussten nicht, ob sie den Tag überleben würden. Sie wussten nicht, ob sie eine Zukunft, ja ob sie überhaupt noch Hoffnung hätten. Sie ahnten, dass es nur noch schlimmer werden würde. Es ging um ihre ganze Existenz.
In diese scheinbar aussichtslosen Situation hinein schreibt der Apostel Petrus diese Worte: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“
Petrus weiß, dass geteiltes Leid eben halbes Leid bedeutet. Aber er weiß auch, dass die Christen in Kleinasien mehr brauchen. Ist das Gespräch mit dem Freund oder der Freundin bereits sehr hilfreich, so gibt es doch Situationen, in denen wir mehr als nur ein offenes Ohr brauchen. Petrus geht also noch weiter:
I.
Er sagt 1): alle eure Sorge - alles was euch belastet, alle Ängste und Nöte, alles soll abgelegt werden.
Wenn ich ehrlich bin, dann teile ich niemals wirklich alles meinem Gesprächspartner mit! Es gibt Dinge, die ich nicht aussprechen kann oder mag; Dinge, die mir so schwer erscheinen, dass ich sie meinem Gegenüber nicht zumuten mag. Der kann das bestimmt nicht ertragen! Ich lass es mal lieber…
Aber hier werden wir von Petrus aufgefordert, alle Sorgen und Nöte abzulegen. Egal wie schlimm oder irrational oder abscheulich oder folgenschwer sie uns erscheinen mögen. Alles sollen wir ablegen!
II.
Warum? Weil wir sie 2) bei Gott ablegen sollen! Gott weiß ja bereits, was alles in unserem Herzen los ist! Er kennt unsere Gedanken! Er kennt unsere Bedürfnisse. Jesus sagt in Matthäus 6: Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Oder in Jesaja 65, wo Gott sagt: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Gott weiß, was du auf dem Herzen hast; Er weiß, mit welchen Gedanken du dich beschäftigst, welche Sorgen und Nöte dir den Schlaf rauben; Er weiß, was bei dir los ist. Darum die Einladung, das auch wirklich alles bei ihm abzuladen. Oder, wie Petrus noch viel pointierter sagt: Abzuwerfen!
III.
Und das nicht bei irgendwelchem Freund oder Freundin, beim Ehepartner, beim Arzt oder Psychologen, beim Therapeuten (auch wenn das – nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ –sehr sinnvoll und gut sein mag); Nein, wir werden aufgefordert, wir werden eingeladen, dass bei Gott selbst zu machen! Warum? 3) Weil er sich um uns sorgt. Weil er will, dass es uns gut geht. Weil er die Macht hat, alles zum Besten zu kehren!
Ich denke an die Christen in Kleinasien vor ca. 2000 Jahren und ich stelle mir vor, dass diese Worte wirklich tröstlich und treffend gewesen sein müssen. Und ich frage mich, ob denn meine Sorgen und Nöte wirklich so schlimm sind? Liebe Gemeinde, sind wir mal ehrlich: wir werden nicht um unseres Glaubens Willen verfolgt! Unsere Existenz ist nicht bedroht! Wir leben (zumindest hier in Deutschland) in friedlichen und sogar wohlhabenden Zeiten! Uns geht es gut! Mir geht es gut! Wie kann ich da meine Sorgen und Nöte vor Gott bringen, wenn doch Petrus hier von ganz anderen, von viel schlimmeren Dingen spricht? Wenn es den Christen in Kleinasien um Leben und Tod geht und ich hier vergleichsweise auf hohem Niveau meckere?
Jesus sagt: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Mt 11,28). Alle. Nicht nur die, die vermeintlich „große“ Sorgen und Nöte zu tragen haben. Nicht nur die, die um ihres Glaubens Willen verfolgt werden. Nicht nur die, die in Todesangst schweben. Nein – alle! Auch du und ich. An keiner Stelle stuft Jesus das Leid der Menschen ab und bestimmt, wer ein Anrecht auf sein Erbarmen hat und wer nicht. An keiner Stelle sagt er: „Das ist jetzt wirklich nicht so schlimm; reiß dich einfach zusammen!“ An keiner Stelle vergleicht er zwischen vermeintlich großen oder kleinen Problemen. Er sieht uns an und hat Mitleid mit uns. Nicht zuletzt, weil wir alle irgendwie Sorgen und Nöte mit uns herumschleppen; Weil wir alle – mal mehr, mal weniger – Leid tragen; Weil wir schließlich alle gemeinsam unter dem Joch der Sünde stecken.
Darum darfst du, darum darf ich mit allem zu ihm kommen. Denn: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Aber der Spruch geht noch weiter: „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“
Als Christen sind wir heute Morgen nicht nur eingeladen, unser Leid und unsere Sorgen miteinander - und vor allem mit Gott - zu teilen. Vielmehr sind wir auch eingeladen, unsere Freude zu teilen! Unsere Freude und unsere Dankbarkeit darüber, dass wir einen Gott haben, der sich so um uns sorgt! Der uns einlädt, unsere Sorgen und Nöte auf ihn zu werden! Der unser Leid auf sich nimmt, der uns aufrichtet, tröstet und stärkt. Ein Gott, der verspricht, bei uns zu sein, egal was kommt. Egal was die Zukunft mit sich bringt, egal was für schwere Zeiten noch bevor liegen mögen. Ein Gott, der es gut mit uns meint.
Wie Petrus es wenige Verse später so treffend sagt:
„Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht in alle Ewigkeit!“ (1 Petrus 5, 10+11)
Amen.
Der Friede Gottes, welches höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
September 2024