Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
„Gott schreibt auf krummen Linien gerade.“
Liebe Gemeinde,
dieses Sprichwort ist euch sicherlich bekannt. Mit diesen Worten drücken wir zum einen die Gewissheit aus, dass die Ausbreitung des Evangeliums nicht durch menschliche Unzulänglichkeiten gehindert wird. Wir trösten uns und andere, dass Gott unsere Unzulänglichkeiten überwindet! Dass er trotzdem seine Gemeinde baut. Nicht wegen unserer Mitarbeit, sondern trotz unserer Mitarbeit – die ja so oft so vieles kaputt macht und Streit, Neid und Misstrauen mit sich bringt. „Gott schreibt auf krummen Linien gerade.“
Mit diesen Worten bringen wir andererseits auch zum Ausdruck, dass Gott keine anderen Menschen als uns zu Boten seiner Liebe erwählt hat. Uns, die wir gezeichnet von der Sünde, und dennoch erfüllt vom Heiligen Geist sind. „Gott schreibt auf krummen Linien gerade“ – das kann jeder von uns auf sich und seine jeweiligen Macken beziehen.
Doch ist es nicht so, dass wir lieber „gerade“ wären, statt „krumm“? Ist es nicht so, dass wir zwar grundsätzlich dem zustimmen, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreiben kann, aber dass das die Ausnahme bleiben sollte? Möchten wir nicht, dass es in der Kirche und in der Gemeinde ehrbar zugeht, dass jeder sein Bestes gibt, ohne dass Neid, Streit und Misstrauen entstehen? Möchten wir nicht, dass jeder Christ die Sünde meidet, dass jeder und jede sich bemüht und bereit ist zu lernen? Wir wünschen uns doch engagierte ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter, die mit Sachverstand und Herzblut dabei sind, oder?
Beschreibt das geflügelte Wort „Gott schriebt auf krummen Linien gerade“ nun die Regel oder die Ausnahme?
Der Apostel Paulus gibt uns dazu einige Hinweise. Er selbst war, zumindest in den Augen der Korinther, eine „krumme Linie.“ Er war ihnen nicht würdig genug, das Heil Gottes zu verkündigen. Sie erkannten ihn nicht als Apostel an.
Tatsächlich war das mit diesem Paulus nicht ganz einfach. Er war ein kranker Mann. Er war gezeichnet von epileptischen Anfällen, die damals als Indiz galten, dass jemand von einem Dämon besessen ist. Er war mehrmals im Gefängnis gewesen, weil er mit Vertretern anderer Religionen keinen diplomatischen Umgang pflegte, sondern sie in aller Öffentlichkeit als Götzendiener beschimpfte. Er galt als rechthaberisch, als einer, der keine andere Meinung gelten ließ. Und, er predigte langwierig und kompliziert. Hinzu kamen dann die vielen gepfefferten Briefe, mit denen er sich nicht unbedingt beliebter machte.
All dies passte nicht zu ihren Vorstellungen von einem Apostel Gottes, von einem Botschafter des Evangeliums.
Diesen Vorwürfen tritt der Apostel in dem gehörten Predigtabschnitt entgegen.
Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Paulus formuliert hier das Ziel allen Wirken Gottes auf Erden. Dass Menschen Jesus Christus als Sohn Gottes erkennen und bekennen. Dass das Leben der Menschen durch den Glauben an Christus anders wird. Dass die Menschen gestärkt werden, trotz Leid und Enttäuschung, trotz Fehltritte und Brüche und Zweifel.
Das ist das Ziel des Wirken Gottes. Und damit dieses Ziel erreicht wird, hat Gott die Jünger und die Apostel und Paulus und alle Verkündiger des Wortes Gottes, ja alle Mitarbeiter berufen und gesandt. Petrus und die anderen Jünger wurden von ihrer täglichen Arbeit weg berufen. Paulus wurde von Gott vor Damaskus gestoppt und vom Verfolger zum Bekenner gemacht.
So nimmt Gott bis heute Menschen in seinen Dienst. Hauptamtlich und ehrenamtlich. Damit dieses Ziel erreicht wird.
Aber: Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Bumm. Dieser Schatz, dieses Heil, befindet sich in irdenen Gefäßen. In gewöhnlichen, zerbrechlichen Tonkrügen…
Wir Menschen bewahren unsere Schätze normalerweise in festen und verschließbaren Behältnissen auf, um sie vor Diebstahl oder Schaden zu schützen. Gott bewahrt seinen Schatz, sein heiliges Wort, in zerbrechlichen Gefäßen auf. In den zerbrechlichen Gefäßen schwacher und sündiger Menschen.
„Gott schreibt auf krummen Linien gerade“ – dieser Satz beschreibt leider nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Ja, es muss so sein, sagt Paulus. Es muss so sein! Damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Damit die Menschen erkennen, dass nicht der wunderbare Prediger, der perfekte Pastor, der mustergültige Mitarbeiter der Grund für diese Kraft ist, sondern Gott allein! Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre. Darum gilt, was Johannes der Täufer sagt: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. (Joh 3,30).
Wir feiern heute Mitarbeiter-Dank. Aber bevor wir uns gedanklich auf die Schulter klopfen, bevor wir uns ärgern, dass einige so viel leisten und andere dagegen scheinbar nichts, bevor wir uns darüber ärgern, dass hier doch so viele „krumme Linien“ durch die Gegend laufen, lasst uns erstmal innehalten und begreifen, dass wir alle krumme Linien sind. Angefangen beim Pastor – ja, auch ich bin eine krumme Linie, mit vielen Schwächen und Fehlern. Meine Vorgänger waren es auch. Wenn ich so mitbekomme, wie manchmal über die krummen Linien, die vor mir hier waren, geredet wird, macht mich das nachdenklich. Der Anspruch hier in Martini ist doch recht hoch. Ihr hättet gerne gerade Linien. Aber wir sind und bleiben krumme Linien. Alle miteinander.
Darum wollen wir Gott heute zum einen bitten, dass er diese vielen krummen Linien nach seiner Gnade geradebiegen wird. Dass er aus uns bessere Menschen macht, die achtsam miteinander umgehen, die einander mit Liebe begegnen (getreu der Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Ja er wolle aus uns Menschen machen, die seinem Bild ähnlicher werden.
Aber vor allem wollen wir Gott darum bitten, dass er auf den krummen Linien weiterhin gerade schreibt. Dass er diese Gemeinde erhalte – nicht wegen, sondern trotz unserer Mitarbeit! Dass er uns allen die Kraft und den Mut schenke, weiterhin aktiv zu sein, weiterhin bereits zu sein, in seinem Reich mitzuarbeiten.
„Gott schreibt auf krummen Linien gerade.“ Zum Glück!
Amen.
Der Friede Gottes, welches höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
Januar 2024