„Naamans Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.“
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Nordöstlich von Israel liegt der Staat Syrien mit seiner Hauptstadt Damaskus. Beide Staaten haben ein angespanntes Verhältnis zueinander; sie sind sich eher feindlich als freundlich gesonnen. Das war schon vor 3000 Jahren so.
Damals nannte man Syrien auch Aram, und die Syrer werden in der Bibel als Aramäer bezeichnet. Schon damals war die Hauptstadt Damaskus. Israel war zu der Zeit in zwei Staaten zerteilt, und der nördliche Teil, der direkt an Syrien angrenzte, hatte Samaria als Hauptstadt. Dort regierte König Joram und dort lebte auch der berühmte Prophet Elisa; diesem hatte Gott die Vollmacht gegeben, große Wunder zu wirken.
Und nun möchte ich euch die Geschichte erzählen, deren letzten Satz ich eben vorgelesen habe. Sie beginnt in Damaskus, im Haus des syrischen Kriegsministers Naaman.
Von einem erfolgreichen Angriffskrieg auf Israel hat er sich reiche Beute mitgebracht, darunter auch, wie damals üblich, Kriegsgefangene als Sklaven. Ein hübsches und aufgewecktes Mädchen aus Israel hat es ihm besonders angetan, und er schenkt es seiner Frau als persönliche Dienerin.
Naaman sonnt sich in seinem Ruhm und Erfolg; er hat die Spitze seiner Karriere-Leiter erreicht und bekleidet den nächsthöchsten Rang unter dem König.
Da wird er plötzlich krank, ein ekliger Ausschlag befällt seinen ganzen Körper, er kann sich gar nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen. Die Diagnose der Ärzte ist vernichtend: „Das ist Aussatz“, sagen sie, „Lepra“ – eine damals unheilbare Krankheit.
Die Diagnose muss den Naaman so getroffen haben, als würde dir jemand mitteilen, du hast Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Naamans Frau erschrickt, Naamans Kinder erschrecken, auch die Dienerschaft ist betroffen – einschließlich der jungen Israeliten im Dienst von Naamans Frau. Doch da erinnert sie sich an ihre Heimat, an Israel, an die Hauptstadt Samaria und an den berühmten Propheten Elisa, der schon vielen Menschen geholfen hat. Darum sagt sie zu ihrer Herrin: „Wenn Naaman zu dem berühmten Propheten nach Samaria kommen würde, dann könnte der ihn bestimmt gesund machen.“
Was für ein schöner und kindlicher Glaube! Gott kann alle gesund machen, und er tut es durch die Leute, die er in seinen Dienst ruft, wie eben den Elisa. Das ist für das Mädchen alles sonnenklar. Und es behält diesen Glauben nicht für sich, sondern bekennt ihn freimütig und will damit sogar Leuten helfen, auf die sie eigentlich böse sein müsste. Sie hat ein goldenes Herz und will nur, dass Naaman geholfen wird, darum gibt sie diesen wertvollen Tipp – voll Vertrauen, dass Gott bzw. der berühmte Gottesmann auch in diesem Fall helfen kann.
Frau Naaman sagt’s ihrem Gatten weiter, und der ist wohl so am Boden zerstört, dass er sich an jeden Hoffnungsstrohhalm klammert. Er will nach Israel, nach Samaria, um sich dort heilen zu lassen. Nun ist das allerdings bei seiner Stellung eine Staatsaktion, die nach allen Regeln der Diplomatie angegangen sein will.
Wir erinnern uns: Das Verhältnis zu Israel ist äußerst gespannt. Aber mit Geschenken kann man manche Wogen glätten (wie heute auch noch), und darum wird ein großer Schatz an Gold, Silber und kostbaren Textilien mit nach Israel genommen. Das Wichtigste aber trägt Naaman in seiner eigenen Tasche, als er nach Israel reist: Ein offizielles Schreiben vom aramäischen König, in dem dieser den israelischen Nachbarkönig Joram höflich bittet, in jeder erdenklichen Weise doch bitteschön bei der Heilung des syrischen Ministers behilflich zu sein.
Naaman trifft in Samaria ein, übergibt den Brief und sieht gespannt zu, wie sich König Joram die Zeilen vorlesen lässt. Naaman bemerkt mit Schrecken, wie sich die Miene des Königs von Israel zusehends verfinstert. Als der Vorleser fertig ist, zerreißt König Joram die Krageneinfassung seines Obergewands und gibt damit zu erkennen, dass er zutiefst bestürzt ist. Er ruft in die Runde: „Ja, bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit uns sucht!“
Die Situation ist aufs Äußerste gespannt, die Nerven liegen blank. Offensichtlich hat König Joram den Brief und das Anliegen Naamans total missverstanden. Er meint, die unerfüllbare Bitte einer Heilung soll den Syrern einen Vorwand liefern, um Israel erneut anzugreifen.
Solche Missverständnisse gibt es auch noch heute. Missverständnisse, die daraus entstehen, dass jemand den Wunsch eines anderen böswillig deutet, obwohl er gut gemeint war. Schlechte und negative Gedanken machen das menschliche Miteinander kaputt und können zum Krieg führen.
Wir Christen sollten uns lieber darin üben, die Worte und Handlungen unserer Mitmenschen gutwillig zu deuten und auch entsprechend zu reden. Martin Luther hat es im Kleinen Katechismus in der Erklärung des achten Gebots trefflich formuliert: Wir sollen von unserm Nächsten nichts Schlechtes denken und nicht über ihn lästern, „sondern ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.“
Wie geht es nun weiter im Thronsaal des Königs Joram? Der Prophet Elisa erfährt von der Angelegenheit und er kann König Joram umstimmen. „Schick den Kranken zu mir“, lässt er ausrichten, „damit er merkt, dass Gott einen Propheten in Israel hat!“
Naaman und seine Begleiter begeben sich zum Haus des Gottesmannes und klopfen an. Naaman erwartet, dass der Prophet sich nun persönlich um ihn kümmert, dass er ihn gründlich untersucht, dass er komplizierte Beschwörungen und Rituale beginnt, die den Aussatz verschwinden lassen. (Schließlich lässt sich Naaman die Sache ja einen Haufen Geld kosten und möchte dafür auch was sehen!)
Zu seiner Enttäuschung erscheint aber nur Elisas Diener in der Haustür und teilt Naaman kurz angebunden mit: „Geh zum Jordan und wasche dich siebenmal im Fluss, dann wirst du gesund.“
Wann bist du das letzte Mal beim Arzt zwischen Tür und Angel abgefertigt worden? Ich kann mir gut vorstellen, wie Naaman sich hier fühlt. Er ist außer sich vor Wut. So eine Frechheit, denkt er. Anscheinend will mir der Prophet nicht helfen, dass er mir so eine alberne Therapie verschreibt. Siebenmal untertauchen! Im Jordan! Als ob es in Damaskus nicht auch Flüsse gibt, noch dazu mit viel besserer Wasserqualität.
Verdrießlich macht sich Naaman auf den Heimweg. Da fasst sich einer seiner Begleiter ein Herz und redet ihm gut zu: „Lieber Herr, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte, hättest du es dann nicht getan, um gesund zu werden?“ Naaman brummelt: „Doch, doch, wohl schon.“
Ein anderer Diener fährt fort: „Zum Jordan ziehen und siebenmal im Fluss untertauchen, das ist doch nun aber nichts Großes, das ist doch eine Kleinigkeit. Es wäre keine Mühe, mal auszuprobieren, ob es hilft.“ Und ein Dritter ergänzt: „Wenn es nichts hilft, können wir ja immer noch nach Hause ziehen.“
Naaman lässt sich umstimmen. Er zieht zum Jordan und legt seine Kleidung ab. Seine Begleiter starren auf die hässlichen Geschwüre am ganzen Körper. Dann watet er ins Wasser, bis es ihm etwa zur Brust reicht. Nun taucht er unter und wieder auf. Keine Veränderung. Er taucht noch einmal. Wieder nichts. Ein dritter Tauchgang – seine Haut sieht immer noch so aus wie vorher.
Aber nun, wo er schon einmal dabei ist, führt er die Taucherei zu Ende; Naaman hält nichts von halben Sachen. Und siehe da, nach dem siebenten Untertauchen, da trauen alle ihren Augen nicht, und er selbst ist auch total verblüfft: Nicht nur, dass plötzlich alle Geschwüre weg sind, nein, seine Haut sieht völlig makellos aus wie schon lange nicht mehr; sein Körper ist schön und faltenfrei wie der eines jungen Mannes.
Wie die Geschichte weitergeht, das will ich jetzt nicht erzählen. Wen es interessiert, der kann es zu Hause selbst nachlesen, im zweiten Buch der Könige im fünften Kapitel.
Ihr Lieben, ich möchte euch an dieser Stelle nur dazu auffordern, Gott für diese wunderbare Heilung zu danken, ihn zu loben und preisen. Denn das, was dem Naaman da widerfahren ist, das ist uns auch widerfahren. Wie Naaman durch das Jordanwasser vom Aussatz geheilt wurde, so sind wir durch das Taufwasser von unserer Sündenschuld geheilt worden.
Die Sündenschuld ist sogar eine noch viel schlimmere Krankheit als Lepra oder Krebs. An Lepra oder Krebs kann unser Leib sterben, aber die Seele kann nicht daran sterben. Die Sündenschuld aber führt zum Verderben von Leib und Seele, und das in alle Ewigkeit! Ja, mit der Sündenschuld hat Gott unsere schlimmste Krankheit geheilt. Weil unsere Schuld vergeben ist, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, und wir dürfen darauf vertrauen, dass durch dieses Heilungswunder früher oder später auch alles andere in unserem Leben in Ordnung kommt. Ja, Gott will alles heil machen: Leib und Seele und gestörte Beziehungen zum Mitmenschen und wirtschaftliche Probleme und sogar den Tod. Denn wir werden auferstehen, wie Jesus auferstanden ist und wie Naaman mit einem runderneuerten Leib aus den Fluten des Jordans auferstanden ist!
Und das Beste: Gott schenkt uns das alles frei und umsonst. Elisa wollte den Schatz des Naaman gar nicht haben (so werdet ihr das in der Fortführung der Geschichte lesen). Und auch Gott lässt sich seine Erlösung nicht bezahlen, weder durch Geld noch durch gute Werke.
Wir beten mit Psalm 103: „Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen. Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein bAdler.“
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
(Nach einer Predigt von Pfr. M. Krieser)
Januar 2024