Brüder und Schwestern! Durch das Blut, das Jesus als Opfer dargebracht hat, haben wir freien Zugang zum Heiligtum. Er hat uns einen neuen Weg eröffnet, der zum Leben führt. Dieser Weg führt durch den Vorhang hindurch –und zwar dadurch, dass er Mensch geworden ist. So haben wir einen Hohepriester, der über das Haus Gottes gestellt ist. Wir wollen also vor Gott treten mit aufrichtigem Herzen und voller Glaubensgewissheit. Denn unsere Herzen sind besprengt worden mit dem Blut von Jesus.So wurde unser Gewissen rein von der Schuld, die es belastet. Und unser Leib wurde in reinem Wasser gebadet.
Liebe Gemeinde,
wer zur Zeit Jesu den Tempel in Jerusalem besuchte, der sah am Eingang zum Tempelberg folgende Warninschrift:
„Kein Heide darf eintreten in das Heiligtum. Wer dabei erwischt wird, ist selbst Schuld an seinem bevorstehenden Tod.“
Diese Warninschrift, in Stein gemeißelt, war überall um den Tempelberg herum angebracht. Sowohl auf Latein als auch auf Griechisch, damit auch wirklich alle diese Drohung mitbekommen. Wer als Nichtjude den inneren Bereich des Tempelgeländes betritt, der wird umgebracht.
Diese Warninschrift könnte deutlicher nicht sein. Sie war sprichwörtlich in Stein gemeißelt. Du darfst als Nichtjude dieses Gelände nicht betreten! Du darf nicht in das Heiligtum eintreten! Du hast keinen Zugang.
Wenn man bedenkt, dass für die Juden der Tempel in Jerusalem der Ort war, an dem Gott auf dieser Erde wohnt, und dass man nur dort in die Gegenwart Gottes treten konnte, dann wird klar, wie exklusiv das war. Im wahrsten Sinne des Wortes: Exklusiv. Wer nicht zum Volk Gottes gehörte, der hatte von vornherein schlechte Karten. Der hatte keinen Zugang zu Gott. Der konnte die Erlösung nicht erlangen.
Jude oder Nichtjude, hin oder her, diese Warninschrift gilt uns allen. Ihr Lieben, wir sind Sünder und als solche, würden wir in der Gegenwart Gottes vergehen. Wir haben alle schlechte Karten vor Gott.
Damit wäre die Geschichte auch aus. „Umsonst wären wir geboren“, so haben wir es eben im Exultet gehört.
Aber Gott hat andere Pläne für seine Menschheit! Gott selbst schreitet ein und stellt alles auf den Kopf. Er schickt seinen Sohn in diese Welt, um die Warninschrift zu zerstören! Um den Vorhang zu zerreißen! Um die Exklusivität aufzuheben! Und die Vorurteile zu zertrümmern! Um alles, was uns von ihm trennt, wegzunehmen.
Wir haben Zugang, direkten Zugang, durch den Vorhang hindurch, zum Vater. Es kann uns nichts mehr zurückhalten. Die Warninschriften sind weg! Zersprengt! Der Vorhang zerrissen! Ein für allemal! Die Vorurteile zerstört, die Exklusivität aufgehoben.
Das ist an Karfreitag und Ostern geschehen. Das ist es, was wir in diesen Tagen und in dieser Nacht miteinander feiern! Dass nichts, aber auch gar nichts, uns mehr von Gott trennen kann.
Vielleicht gibt es in deinem Leben noch die ein oder andere Warninschrift, die in dieser heiligen Nacht zersprengt werden muss. Etwas in deinem Leben, dass dich von Gott fernhält, was dich zurückhält, was dir Sorge und Not bereitet. Vielleicht hast du manchmal das Gefühl, vor Gott nicht gut genug zu sein, vor deinem Mitmenschen schon gar nicht. Vielleicht ist da etwas, was du getan hast und was du mit schuldigem Gewissen mit dir herumträgst. Vielleicht gibt es die ein oder andere Ablenkung, die dich davon abhält, Gott in seinem Wort und Sakrament regelmäßig aufzusuchen.
Christus zerstört diese Hindernisse. Sie werden zersprengt und beiseitegelegt, so wie der Stein vor der Grabes Tür. So, wie diese Warninschriften am Tempel. Was in Stein gemeißelt war, ist zerstört.
Darum dürfen wir dankbar mit den Worten aus dem Hebräerbrief einstimmen:
Wir wollen also vor Gott treten mit aufrichtigem Herzen und voller Glaubensgewissheit. Denn unsere Herzen sind besprengt worden mit dem Blut von Jesus. So wurde unser Gewissen rein von der Schuld, die es belastet.
In diesem Sinne rufen wir uns heute Nacht gegenseitig zu: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
April 2023