Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb! Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie waren eins geworden hinzugehen, um ihn zu beklagen und zu trösten. Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus,
wieder einmal begegnet uns die große Frage „Warum“. Warum lässt Gott das zu? Haben wir die Frage neulich im Zusammenhang von Naturkatastrophen gestellt, so kommt sie heute wieder vor, in der Erzählung vom Hiob. Eine „Hiobsbotschaft“ zu bekommen, diese Redewendung geht auf eben diesen Hiob
zurück. Hiob, der – obwohl er nichts Falsches getan hatte – unmenschliches durchmachen musste. Die Geschwüre, von denen wir soeben gehört haben, die sind ja erst der Anfang!
Was soll man dazu noch sagen? Was kann man sagen? Vielleicht gab es in letzter Zeit in deinem Umfeld „Hiobsbotschaften“: Die Nachbarin, die eine unheilbare Krebsdiagnose bekommen hat. Der Arbeitskollege, dessen Frau plötzlich verstorben ist. Der Freund, der gerade eine Scheidung durchmacht… Was sagt man da? Als blutjunger Vikar hatte ich mal eine Woche lang die seelsorgerliche Notfallvertretung für unsere Gemeinde, da mein Vikarsmentor im Urlaub war. Der nächste Pastor war 100 Kilometer entfernt. Wenn was passieren sollte, wäre ich dran! Und tatsächlich: eine junge Mutter, die an Krebs erkrankt war, lag plötzlich im
Sterben. Es war alles sehr viel schneller gegangen als erwartet, und so rief man mich an, ich sollte doch kommen. Schweißgebadet bin ich dort hingefahren. Ich werde diese Fahrt nie vergessen. Immer wieder die Frage: Was sage ich jetzt? Wie tröste ich die Familie? Was ist angemessen, was nicht?
Ich kam dort an, und hab bloß irgendetwas unverständliches gestammelt. Ich war so nervös, ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte! Ich wollte doch alles erklären, wollte der Frau Mut zusprechen, den Mann und die Kinder wollte ich trösten. Ich hatte doch nur gute Absichten! Hätte ich doch lieber nichts gesagt.
Und genau das ist es! Genau das beeindruckt mich an dieser Erzählung von Hiob. Genau das können wir hier lernen. Da bekommt dieser Hiob unmenschliches Leid auferlegt, und seine Freunde kommen und setzen sich zu ihm und sagen nichts! Sieben Tage und sieben Nächte lang. Nichts! Sie waren einfach nur da.
Genau das hätte ich damals als Vikar auch machen sollen. Einfach nur da sein. Genau das kannst du auch leisten, in Situationen, wo es schwerfällt, die richtigen Worte zu finden. Situationen, die man in Worte so oder so niemals richtig fassen könnte. Einfach schweigen. Ich habe aus dieser Situation gelernt, wie gut und wie heilsam es sein kann, einfach nur da zu sein, ohne etwas sagen zu müssen. Manchmal dauert das eben auch recht lang – sieben Tage und sieben Nächte!
Natürlich kommt dann auch irgendwann die Zeit, zu reden. Hiob wird das mit seinen Freunden noch machen – das Buch Hiob hat schließlich noch weitere 40 Kapitel! Sie werden lang und breit über den Sinn des Leidens diskutieren. Hiob wird Gott sein Leid klagen, wird mit ihm ringen. Er wird von Gott wissen wollen, warum ihm das widerfährt.
Aber erst einmal ist Schweigen angesagt.
In der Geschichte der Kirche ist der leidende Hiob oft mit dem leidenden Christus verglichen worden. Ich denke aber, dass hier in Kapitel 2 sich Christus vielleicht am besten mit den Freunden Hiobs vergleichen lässt:
In Christus kommt Gott selbst an unsere Seite. In Christus kommt Gott selbst in Leid und Tod. In Christus sitzt Gott selbst mit uns auf dem Aschehaufen. In Christus fühlt Gott die Leiden Hiobs am eigenen Leibe. Wir erinnern uns in der Passionszeit ja genau daran, dass Christus gelitten hat, und warum er das tat.
Und heute werden wir mit Hiob daran erinnert, dass wir in den Dingen, die uns im Leben begegnen einen Gott haben, der uns nicht aus dem Himmel zusieht, sondern an unserer Seite ist.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
Februar 2023