Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Es gibt biblische Texte, über die mag man einfach nicht predigen. Texte, die so bekannt sind, so bewegend sind, so tiefgründig sind, dass man das Gefühl hat, als Prediger nichts hinzufügen zu können.
Heute haben wir solch einen Text als Grundlage der Predigt: Das sog. „Hohelied der Liebe“, 1. Korinther 13. Ein Text, wie er tiefgründiger und poetischer kaum sein könnte. Ein Text, der die Grundlagen des christlichen Glaubens erforscht. Der unser ganzes Menschsein, unsere ganze Existenz gewissermaßen anspricht. Ohne Liebe ist das Leben nicht lebenswert. Ohne Liebe sind wir nichts.
Natürlich spricht Paulus hier nicht von „Eros“ – von der erotischen Liebe. Er spricht vielmehr von „Agape“ – so lesen wir es im griechischen Urtext. „Agape“: Das ist die Nächstenliebe, die selbstlose Hingabe und Aufopferung für andere.
Der Unterschied zwischen Eros und Agape könnte kaum größer sein: Hat Eros das „ich“ im Fokus, so schaut „Agape“ auf den Nächsten. Ist „Eros“ im Wesen egozentrisch und selbstsüchtig, so ist „Agape“ das genaue Gegenteil.
Die Gemeinde in Korinth ist tiefgründig zerstritten. Jeder will sich selbst profilieren, und behauptet, dass er größer und wichtiger sei. Die verschiedenen Gaben in der Gemeinde (gemeint sind hier vor allem die Geistesgaben) werden unterschiedlich gewichtet, manche halten sich dabei für unabdingbar und versuchen mit aller Macht, andere herunterzumachen.
In diese chaotische Situation hinein schreibt der Apostel Paulus eben diese Worte.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Ob das in einer so chaotischen Situation die richtigen Worte sind? Einfach nur zu sagen: „So sollte das gehen“, das ist doch pädagogisch nicht sehr sinnvoll, oder? Wer Kinder hat der wird wissen, dass es nicht viel bringt einfach nur zu sagen „so solltet ihr euch benehmen!“
Stellen die Korinther vielleicht vielmehr fest, dass sie das gar nicht können, egal wie sehr sie sich bemühen?
Ja ich selbst stelle fest, dass ich das so niemals schaffen könnte! So zu lieben, den Nächsten so im Blick zu haben, so selbstlos zu sein, das kann ich nicht. Vielleicht geht es dir ähnlich. Langmütig, freundlich, geduldig… da ist bei mir bereits Schluss! Was will Paulus hier?
Ihr Lieben, vielleicht ist es gut, wenn wir an dieser Stelle den Spies umdrehen. Wenn wir diese Verse ganz neu denken, ja aus einer ganz anderen Blickrichtung betrachten:
Irgendwie kommen mir diese Begriffe, diese Adjektive, die Paulus hier benutzt, ja bekannt vor. Tatsächlich, im 2. Buch Mose, Kapitel 34, da heißt es:
Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.
oder Psalm Ps 103, 8:
Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.
auch Ps 145, 8:
Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte…
Das sind göttliche Eigenschaften! Immer und immer wieder beschreibt die Bibel Gott so: barmherzig, gnädig, geduldig! Das sind göttliche Eigenschaften, die Paulus dort auflistet. Und so könnte man diesen Text aus 1. Korinther 13 auch ganz anders lesen, nämlich so:
„Christus ist langmütig und freundlich, Christus eifert nicht, Christus treibt nicht Mutwillen, Christus bläht sich nicht auf, Christus verhält sich nicht ungehörig, Christus sucht nicht das Seine, Christus lässt sich nicht erbittern, Christus rechnet das Böse nicht zu, Christs freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, Christus freut sich aber an der Wahrheit; Christus erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles.“
So umfassend, so vollkommen ist allein die Liebe, die Gott in Jesus Christus zu uns Menschen hat. Wir können das nicht nachahmen, egal wie sehr wir uns auch bemühen.
Was bedeutet das aber für uns? Richten wir noch einmal den Blick auf diesen Begriff der „Agape“: „Agape“ können wir nicht herstellen. Sie kommt nicht aus uns heraus. Von Natur aus sind wir dazu nicht fähig. Sie muss uns geschenkt werden.
Und, sie wurde und wird uns immer wieder geschenkt! In Christus haben wir diese Liebe! Darum beschriebt Paulus das hier so schön, damit die Korinther merken, ja damit auch wir merken, wie sehr und wie umfassend wir geliebt sind! Damit wir begreifen, wir reich wir beschenkt sind! Das wir eben diese „Agape“, diese allumfassende und selbstlose Liebe von Gott immer und immer wieder empfangen. Und, damit wir in der Folge ermutigt werden, auch andere so zu lieben (wenn auch in diesem Leben noch unvollkommen und bruchstückhaft).
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Möge der Herr uns das immer wieder schenken.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
Februar 2023