Liebe Gemeinde,
vor einem Jahr, am 1. Weihnachtstag 2021, habe ich es nach dem Gottesdienst kaum hinten bis zur Kirchentür geschafft, bevor es von allen Seiten Kritik hagelte. Wieso ich denn am Heiligabend zum Ausgang nicht „Stille Nacht“ hab singen lassen, und am 1. Weihnachtstag „O du fröhliche“? Das wäre doch Tradition, um nicht zu sagen eisernes Gesetz hier in der Martini-Gemeinde!
Den Hinweis, dass keiner mir das im Vorfeld mitgeteilt hätte, fiel offensichtlich auf taube Ohren. Ich habe daraufhin mit einem Augenzwinkern um Entschuldigung gebeten und Besserung gelobt. (Ihr werdet es nachher sehen.)
Viel interessanter aber fand ich die Kritik, dass ich ja gar nicht so recht über Weihnachten gepredigt hätte. Kein Stall, kein Joseph, keine Maria, kein Kind in der Krippe, keine Hirten, keine Weisen aus dem Morgenland, nichts.
Und tatsächlich, das stimmte auch! Es war eben so, dass der Text für die Predigt, in diesem Falle aus Titus 3, (den ich ja nicht ausgesucht hatte, sondern der vielmehr vorgegeben ist**, augenscheinlich nur wenig mit Weihnachten zu tun hatte.
Heute, ein Jahr später, ist das wieder der Fall, ich kündige das hiermit schonmal an! Aus dem Brief des Paulus an die Kolosser im 2 Kapitel. Ich lese einmal vor:
In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit. Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Soweit die Lesung. Wie gesagt, kein Stall, kein Joseph, keine Maria, kein Kind in der Krippe, keine Hirten, keine Weisen aus dem Morgenland, nichts. Tatsächlich haben die Predigttexte für den 1. Weihnachtstag durchweg eher wenig mit dem Weihnachtsgeschehen an sich zu tun.
Stellt sich die Frage, was wir heute am 1. Weihnachtsfeiertag denn überhaupt feiern? Ihr Lieben, dass es um Weihnachten geht, um die Geburt Jesu, das steht außer Frage. Aber heute, am 1. Weihnachtsfeiertag, da geht es bereits um mehr. Es geht um das Wunder der Menschwerdung Gottes. Und es geht darum, was das für dich und für mich bedeutet. Das, was vor 2000 Jahren in Bethlehem geschehen ist, das ist eine schöne Geschichte, die man gern und oft nacherzählen sollte. Gestern Abend haben wir sie eindrucksvoll gehört. Aber, es gibt mehr. Das, was dort geschehen ist, das hat Folgen! Es hat Konsequenzen. Und darum geht es heute. Darum geht es in den Predigttexten zum 1. Weihnachtstag, sie mögen uns noch so deplatziert und sperrig vorkommen.
Paulus sagt uns heute morgen, dass es um mehr geht. In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Dieses kleine Kind, dass unter so widrigen Umständen geboren werden musste, ist nicht einfach nur ein Kind wie jedes andere, sondern es ist Gott selbst. Es ist ein einzigartiges Kind. In ihm verbinden sich Gottheit und Menschheit auf geheimnisvolle Weise. In dem kleinen Jesuskind kommen Himmel und Erde zusammen. Der Schöpfer der Welt, des Himmels und der Erde, wird selbst ein Geschöpf.
Gott macht uns zu Weihnachten dieses Geschenk. Er schenkt uns diese Schatzkiste, aus der wir leben sollen. Ein Weihnachtsgeschenk packt man aus und freut sich dann hoffentlich darüber, spielt damit und nimmt es in Gebrauch. Die Kinder nehmen ihr schönstes Geschenk am liebsten zum Schlafengehen mit ins Bett!
Gott möchte, dass wir dieses Geschenk genau so wertschätzen. Dass wir es mit Freuden auspacken, dass wir es in Gebrauch nehmen, dass wir es gerne besitzen und nicht mehr darauf verzichten mögen. Paulus schreibt dazu: Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit.
Was bedeutet das konkret? Dass wir aus der Liebe Gottes leben, dass wir fest darauf vertrauen, dass wir geliebt sind und nichts uns aus seiner Hand reißen wird! Dass wir aus der Vergebung leben, dass wir fest daran glauben, dass unsere Sünden ins äußerste Meer geworfen wurden, und dass wir andere ebenfalls vergeben können. Dass wir den Frieden Gottes in unserem Herzen tragen und somit allen Streit und Hass in dieser Welt gelassen gegenüberstehen können.
Wisst ihr, was das Erstaunliche daran ist? Wenn wir so aus dieser Schatzkiste leben, dann werden wir selbst zur Schatzkiste! Paulus sagt: In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn. Ihr seid erfüllt! Ihr seid ebenfalls nun eine übervolle Schatzkiste, aus der andere schöpfen können. Ihr, die ihr an Christus glaubt und in ihm verwurzelt seid, ihr seid jetzt Schatzkisten für die Welt. Damit andere die Liebe und die Vergebung und den Frieden Gottes ebenfalls erfahren dürfen. Ihr Lieben, an Weihnachten geht es um mehr! Da ist etwas mit uns geschehen. Unser Geschenk, das wir ausgepackt haben und in Händen halten, gibt etwas von seinem Glanz ab.
In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Wie schön, dass wir heute davon ein Stück mitnehmen dürfen. Wie schön, dass uns bereits am 1. Weihnachtstag diese Perspektiven eröffnet werden. Auch wenn es heute nicht direkt um Stall, Joseph, Maria, das Kind in der Krippe ging. Weihnachten ist mehr!
Amen.
Der Friede Gottes, welches höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
Dezember 2022