Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
Liebe Gemeinde,
Es klingelt. Ich stehe auf und öffne ohne große Bedenken die Tür. Es ist der Postbote, der ein Paket abliefert. Ich nehme das Päckchen entgegen, unterschreibe - mehr oder weniger leserlich - auf dem Gerät des Postboten und schließe die Tür wieder hinter mir. Nichts Ungewöhnliches.
Aber, ihr Lieben, es gibt Gegenden dieser Welt, wo man das nicht einfach so machen sollte. Dort wo ich herkomme, da sollte man tunlichst die Tür nicht einfach so aufmachen! Da muss man immer erst durchs Guckloch schauen. Möglicherweise hat man sogar eine Sicherheitskamera oder eine Sprechanlage. Da ist Vorsicht geboten, wenn einer an der Tür klopft. Derjenige, der da draußen vor der Tür steht, der hat möglicherweise keine guten Absichten. Es könnte durchaus gefährlich sein. Darum: Tür zu! Und nur nach genauer Überprüfung der Lage dann auch öffnen.
Zweite Szene: Es klingt. Dieses Mal nicht an der Tür, sondern das Telefon. Die Eltern wollen auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen. Es ist 11 Uhr vormittags, ich liege in meiner Studentenbude noch im Bett. Ich springe panisch auf und fange an, die Wohnung zu putzen. Die Wäsche, die überall auf dem Boden verstreut liegt, kommt in die Waschmaschine. Das Geschirr, das sich seit Tagen in der Küche türmt, wird gespült. Der Fußboden wird gereinigt, die leeren Bierflaschen kommen auf dem Balkon.
Zum Glück standen die Eltern nicht bereits vor der Tür. Das wäre peinlich! Und die Mutter hätte bestimmt einen Herzinfarkt bekommen.
Ihr Lieben, ihr kennt diese Situationen. Es gibt oft Gründe, warum man die Tür nicht einfach öffnen möchte. Mitunter sogar gute Gründe.
Es klingelt. Heute, hier in diesem Gottesdienst. Es klingelt. Zu Beginn des neuen Kirchenjahres, zu Beginn dieser Adventszeit, steht kein geringerer als Gott selbst vor der Tür. „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“
Wie reagiere ich jetzt auf dieses Klopfen? Öffne ich, ohne zu zögern einfach so die Tür? Oder schaue ich erstmal vorsichtig und etwas ängstlich durchs Guckloch? Mache ich die Tür auf, oder gibt es Gründe, sie fest verschlossen zu lassen?
Vielleicht hast du Angst vor diesem Gott, der da vor der Tür steht. Vielleicht hast du durchs Guckloch geschaut und bist erschrocken zurückgewichen! Ach du meine Güte! Da steht ja Gott höchstpersönlich! Gott – der heilig ist, der die Sünde hasst, der das Chaos in meinem Leben verurteilt! Der mich dafür strafen wird, wenn er das alles zu sehen bekommt!
Und ich mache die Tür nicht auf, weil es bei mir, in meiner Wohnung, in meiner Herzenskammer, aussieht wie ein Saustall. Neid, Hass, Missgunst, mangelnde Nächstenliebe, mangelnde Gottesfurcht, mangelndes Vertrauen…
Ihr Lieben, heute zu Beginn dieser Adventszeit, bekommen wir getrost zugerufen: Öffne die Tür! Trau dich! Der Gott, der da vor der Tür steht und anklopft: Vor dem brauchst du dich nicht zu fürchten! Es ist nämlich dein Gott. Dein Gott, der dich kennt. Der bei deiner Taufe dir zugesprochen hat, dass du sein Kind bist! Der gesagt hat: Fürchte dich nicht! Denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen! Du bist mein! Mach die Tür auf, du kennst mich, ich kenne dich! Ich habe nur gute Absichten.
Und wenn du dann diese Tür beherzt öffnest, dann tritt Gott selbst ein. Und anders als bei irdischen Gästen, greift Gott selbst ein, und reinigt alles. Er schafft sich Raum in deinem Leben, beseitigt alles, dass dich von ihm trennt. Vergibt dir deine Sünde. Feiert das Abendmahl mit dir, teilt sich selbst – seinen Leib und sein Blut – mit dir!
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
Die Botschaft an diesem 1. Advent lautet: Hab Mut! Mach auf! Hab keine Angst! Freu dich – es soll bei dir hell werden, es soll rein werden. Derjenige, der an der Tür steht, hat für dich viel mehr als nur ein Päckchen Weihnachtsfreude bereit. Er will bei dir einkehren, mit dir Gemeinschaft haben, bei dir wohnen, sich dir ganz schenken.
Amen.
Dir öffn ich, Jesu, meine Tür
ach komm und wohne du bei mir;
treib all Unreinigkeit hinaus
aus deinem Tempel, deinem Haus.
Amen.
Der Friede Gottes, welches höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
November 2022