Ihr Lieben,
Ein trostloses Bild ist das. Ein Bild vom Vergehen. Hier regt sich kein Leben mehr. Wir sehen nur den Untergang von sechs ehemals leuchtenden Kerzen. Und wenn wir uns das so ansehen, da kann einem ganz wehmütig werden.
Ich würde schlicht und einfach sagen: Jesus hat eben Recht: „Himmel und Erde werden vergehen“. Ja, der Anblick hat ein wenig von Weltuntergangsstimmung. Alles vergeht. Der November zeigt das mit viel Wucht. Die Natur scheint zu verschwinden – bis auf die nackten Äste, die gerade noch standhalten.
Eine gewisse Weltuntergangsstimmung durchzieht auch den biblischen Text für den Ewigkeitssonntag. Es sind Worte, die Jesus über das Ende von allem spricht. Zum Teil sind es Bildworte – oder auch gleichnishafte Worte. Ich lese aus dem Markusevangelium im 13. Kapitel:
Nehmt den Feigenbaum als Gleichnis, an dem ihr etwas lernt. Wenn seine Zweige frisch austreibenund Blätter bekommen, dann wisst ihr: Der Sommer ist bald da. So ist es auch mit euch: Wenn ihr seht, dass das alles geschieht, dann wisst ihr: Das Ende ist nahe. Der Menschensohn steht vor der Tür. Amen, das sage ich euch: Diese Generation wird nicht sterben, bevor dies alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. An welchem Tag oder zu welcher Stunde das sein wird,weiß niemand – auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Passt auf und seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Zeitpunkt kommt. Es ist wie bei einem Mann, der auf Reisen ging.Er verließ sein Haus und übertrug seinen Dienern die Verantwortung. Jedem teilte er seine Arbeit zu. Dem Wächter an der Tür befahl er: ›Bleib wachsam!‹ Bleibt also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt: spät am Abend, um Mitternacht, beim ersten Hahnenschrei oder früh am Morgen. Wenn er plötzlich kommt, soll er euch doch nicht im Schlaf überraschen. Was ich euch sage, das sage ich allen: Bleibt wachsam!
Markus 13,28-37
Neben den Vorhersagen, die Jesus hier trifft, fällt etwas auf, was nicht so ganz zusammenpasst.
Einmal sagt Jesus (V. 30): Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis das alles geschieht – um dann aber etwas später (V. 32) zu sagen: Tag und Stunde weiß auch der Sohn nicht.
Das ist auffällig, findet ihr nicht? Und es gibt zu denken. Jesus hofft, könnte man sagen, dass mit ihm auch das Ende der Zeit gekommen ist, und zwar „zeitnah“, wie man so sagt. Gleichzeitig muss Jesus zugeben, dass auch er nicht weiß, wann Tag und Stunde des Hausherrn sind.
Wie wir wissen, wenn wir uns so umschauen, ist das Ende offensichtlich noch nicht gekommen. Nicht zur Zeit Jesu und auch danach noch nicht. Himmel und Erde sind noch nicht vergangen.
An solchen Worten wie diesen haben sich in den zwei Jahrtausenden seit Jesus allerlei Phantasien entzündet. Immer wieder haben Gläubige versucht zu erkennen, wann die Zeit zu Ende geht - und dieses „Jetzt“ war schon so manches Mal: in Erwartung des Jahres 1000; bei schweren Naturkatastrophen oder Seuchen; bei Missernten.
Immer mal wieder fühlten sich Menschen dann wie an einem großen Ende, an einem Ausgelöschtwerden wie auf dem Bild, das vorne auf dem Sonntagsblatt zu sehen ist.
Aber irgendwie ging es dann doch immer noch weiter. Manchmal ging es eher schleppend wieder aufwärts, manchmal ging es bald steil bergauf mit der Hoffnung.
Wenn wir daraus eine Lehre ziehen wollen, dann könnte es diese sein: Über das Ende der Zeit wissen wir nichts. Und ob das Ende der Zeit wirklich ein Weltuntergang ist, ein Verlöschen von allem, wissen wir auch nicht genau.
Was wir aber wissen können und woran wir uns festhalten können in jeder schweren Zeit, sind die Worte Jesu:
Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.
Im Festhalten daran können wir dann auch wachen, wie es hier gefordert wird. In aller Ungewissheit etwas zum Festhalten haben, das ist von unschätzbarem Wert. Und da gibt es noch mehr Worte Jesu, an denen wir festen Halt finden.
„Wer zu mir kommt“, hat Jesus ja gesagt und ich höre das immer noch gerne als Jahreslosung dieses Jahres,
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.
Ein Satz zum Festhalten. Mehr müssen wir erst einmal gar nicht wissen über den Glauben im Leben und das mögliche Ende der Zeit.
Wir können Jesu Hand halten, wenn wir uns an seinen Worten festhalten. Wir können nachdenken und fragen, wie Jesus wohl denken und leben würde, wäre er in unserer Lage.
Wir müssen nicht trübselig werden, sondern wir dürfen hoffen. Auch wenn wir einmal unsere Augen schließen, wird Jesus uns nicht abweisen. Das Ende unserer Zeit und das Ende der Zeit ist nicht das Ende Gottes und seines Sohnes. Wir bleiben gehalten.
Halten wir die Hand Jesu ganz fest, indem wir uns an seinen Worten festhalten. Schönere Worte und einen besseren Halt werden wir nicht finden. Jesu Worte vergehen nicht.
Ein weiterer Satz von ihm liegt mir besonders am Herzen. Ich würde ihn sehr gerne beherzigen. Es ist das Jesuswort der letzten Jahreslosung:
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht …
Das wünsche ich mir und allen Menschen, die miteinander leben. Ich wünsche es mir für alle Menschen, die für andere Menschen Verantwortung tragen: Bringt die Zeit nicht mit Streitereien und Rechthabereien zu, sondern mit größtmöglicher Barmherzigkeit.
So viel Zeit hat das Leben nicht, um unerlöst oder verkrampft zu leben in allerlei Konflikten. Nehmen wir uns lieber Jesu Bitte zu Herzen: „Seid barmherzig!“ Wir leben dann entspannter, gelöster. Und können uns vielleicht sagen: Ich habe das mir Mögliche getan, besten Wissens und Gewissens. Ich habe meine Zeit, wann immer es ging, dem Erbarmen gewidmet. Erbarmen ist ein Weg zum Himmel. Gott sei Dank. Amen.
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, soll unsere Herzen und Gedanken behüten. Amen
Pastor Florian Reinecke,
November 2022