Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!
Liebe Gemeinde,
in meiner südafrikanischen Heimat hat man sich nach den ersten demokratischen Wahlen 1994 ein hohes Ziel gesetzt: jeder Haushalt im Land sollte fließend Wasser und einen Stromanschluss bekommen. Ein wirklich hohes Ziel, wenn man bedenkt, dass es sich damals um Millionen von Menschen handelte, die noch kein fließendes Wasser und Strom hatten!
Und so machte man sich an die Arbeit. Allerdings ist es bekanntlich so, dass man nicht nur einfach Stromanschlüsse legen kann. Der Strom muss auch irgendwo herkommen. (Das Problem haben wir in Deutschland inzwischen ja auch!). Diesen Teil des Projektes hatte man nicht so sehr durchdacht, und im nu war klar, dass der Strom nicht mehr für alle ausreichen würde.
Und so gab es fortan einen Notfallplan – das sogenannte „Load shedding“. Dabei wird reihum der Strom für wenige Stunden ausgeschaltet, in der ersten Stufe zwei mal zwei Stunden pro Woche. Das kann dann nach Bedarf – wenn der Verbrauch besonders hoch ist oder bestimmte Kraftwerke ausfallen – bis zu acht, ja sogar mehr Stunden pro Woche werden. Jeder bekommt aber im Vorfeld einen genauen Plan, wann der Strom ausfallen soll. Man kann sich also darauf einstellen und entsprechend einrichten.
Als ich nach Deutschland zum Studium in Oberursel kam, sah ich irgendwann auf dem Titelblatt der Frankfurter Rundschau: „Stromausfall in Hanau.“ In großen Buchstaben! Hanau hatte aufgrund eines technischen Defekts am Tag vorher 30 Minuten ohne Strom auskommen müssen. Das wurde dann in der Zeitung entsprechend gemeldet. Auf der ersten Seite.
Ich musste lachen, habe das Titelblatt fotografiert und das Bild meiner Familie in Südafrika geschickt.
Ihr Lieben, ihr wisst, was ich damit sagen will. Wir leben hier in guten und gemütlichen Verhältnissen. Wir schöpfen (noch** aus dem Vollen. Strom ist eine Selbstverständlichkeit, fließend Wasser auch. Das ist nicht immer und überall auf der Welt der Fall.
„Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen“ – so verheißt es der Prophet Jesaja den Israeliten. Ein Volk, dass sich in der Bedrängnis befindet. Die Geschichte ist schnell erklärt: Das Volk Israel hat sich wieder einmal von Gott abgewandt. Statt auf Gott zu vertrauen, wie der Prophet Jesaja das gefordert hatte, haben sie ein Bündnis mit Assyrien geschlossen. Das ging nach hinten los, der König Ahas wurde ein Vasal und das Volk Israel in der Folge massiv unterdrückt.
Jesaja hatte den Willen Gottes verkündet, das Volk hatte ihm aber nicht zugehört. So kommt es zur Gerechten Strafe Gottes.
Aber wie so oft im Alten Testament, bleibt es nicht dabei! Gottes Liebe für sein Volk ist stärker! Und so lässt er durch seinen Diener Jesaja verkünden, dass bessere Zeiten in Aussicht sind. Es sind dies die Worte unseres Predigttextes für heute, aus Jesaja 12:
Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!
„Zu der Zeit werdet ihr sagen.“ Will heißen: Am Tage eurer Erlösung, dann, wenn die Unterdrückung und das Leid vorbei sind, dann werdet ihr sagen: Ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich …
Ich werde stutzig. Danken für Gottes Zorn? Ja, tatsächlich! Ich danke dir, dass du bist zornig gewesen über mich, dass du mich zurechtgewiesen hast, dass du mich vom falschen Wege abgebracht hast! Das tut erstmal weh, wenn wir hören müssen, dass wir einen Fehler gemacht haben. Aber umso wichtiger ist es, dass wir es auch zu hören bekommen und es besser machen können! Also tatsächlich: Ich danke dir Gott, dass du mich zurechtgewiesen hast. Ich muss an die Worte des Apostel Paulus denken: „Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“
Und so wird das Volk an dem Tage jauchzen und sich freuen. Sie werden lobsingen und rühmen. Sie werden mit Freuden Wasser schöpfen – in Zeiten der Trockenheit, in Zeiten des Verzichts und der Askese ein wunderbarer Gedanke!
Wenn man diese Botschaft aus der Bedrängnis heraus hört, dann tut das gut! Da kommt Vorfreude auf! Es soll besser werden! Es wird alles gut!
Wenn man diese Botschaft aber aus einer privilegierten Position heraus hört, aus einer Position des Reichtums, des Überschusses, einer Position wo fließend Wasser und elektrisch Licht selbstverständlich sind, da fällt es - meine ich - schwerer, das wahre Ausmaß zu erkennen. Da fällt es schwerer, weil man es sich gar nicht vorstellen kann, wie es denn anders sein könnte. Man schöpfte ja bislang aus dem Vollen! Und wenn mal 30 Minuten lang kein Strom da war, dann war das ein Ereignis!
Ihr Lieben, auch hier wisst ihr, was gemeint ist. Ich erlebe in diesen Tagen viel Angst und Sorge um die Zukunft. Nach Corona-Krise kam Energie-Krise, das alles unter dem Schatten eines Krieges. Es sind ungemütliche Zeiten. Gerade darum ist es gut, wenn wir den Propheten Jesaja hören, wenn er uns auffordert, dass wir Gott fest vertrauen sollen. Dass wir nicht auf Menschen setzen, sondern allein auf ihn. Dass wir treu und regelmäßig zu seinem Wort und Sakrament halten. Dass wir uns immer und immer wieder dankbar zeigen, dass es uns noch so gut geht.
Weil auch wenn es hier auf Erden „Load-Shedding“ gibt (vielleicht auch bald hier in Deutschland?), bei Gott gibt es das nicht. Seine Gnade ist unendlich! Der Brunnen des Heils ist übervoll! Wir dürfen schöpfen daraus so viel wir wollen! Das soll in diesen Tagen unser Trost sein.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. [Amen.]
Pastor Roland C. Johannes
September 2022