Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. Und die Israeliten sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.
Und der Herr sprach zu Mose: Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der Herr, euer Gott bin. Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der Herr zu essen gegeben hat. Das ist’s aber, was der Herr geboten hat: Ein jeder sammle, so viel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, so viel er zum Essen brauchte.
Liebe Gemeinde,
vor einigen Wochen war ich mit meiner Familie im Urlaub an der Ostsee. Und wie man das dort so macht, haben wir sehr viel Zeit damit verbracht, an den Stränden nach Muscheln, nach Steinen, und nach Fossilien zu suchen. Am meisten aber haben wir Bernstein gesucht – das Gold der Ostsee.
Klar, es war die falsche Jahreszeit, und es waren sowieso viel zu viele Menschen am Strand unterwegs. Wir haben gesucht und gesucht, aber nichts gefunden. Ich bin am Strand entlanggelaufen, habe mich wirklich bemüht und versucht mich zu konzentrieren, habe die Suchaugen aufgesetzt, aber: kein Bernstein.
Es war irgendwann auf dem Rückweg von einer weiteren erfolglosen Tour, dass mir zum ersten Mal so richtig bewusst wurde, welch schöne Steine und Muscheln trotzdem am Strand zu finden waren. Ich hatte die ganze Zeit diesen einen großen Bernstein gesucht, und war so sehr damit beschäftigt, dass ich die vielen anderen schönen Steine und Muscheln gar nicht beachtet hatte. In hunderten verschiedenen Farben und Formen, manche ganz klein und kaum zu erkennen, aber unglaublich filigran und hübsch. Eine Vielfalt die – aus der Nähe betrachtet - einfach wunderschön war! Ich hatte es übersehen, weil ich das ganz große und wertvolle Fundstück gesucht hatte. Und ich war erstaunt, was ich bei der Suche nach dem großen Glück alles übersehen hatte.
Ist das nicht in unserem Leben auch so? Wir sind auf der Suche nach dem ganz großen Glück, so sehr, dass wir die vielen kleinen Geschenke Gottes gar nicht mehr wahrnehmen. Wir sind so sehr darauf fixiert, dass wir gar nicht sehen, wie vielfältig der Segen Gottes doch ist. Wie reichlich er uns immer und immer wieder beschenkt.
Martin Luther fasst das im Kleinen Katechismus gut zusammen, wenn er in der fünften Bitte im Vaterunser „Unser tägliches Brot gib uns heute“ das alles zusammenfasst, was darunter zu verstehen ist:
Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.
Wir werden reich beschenkt – mit vielen kleinen und großen Gaben, und das ständig und überall! Ich suche das ganz große Glück und übersehe das alles so leicht. Ich stehe dort am Strand an der Ostsee mit einer Hand voller wunderschönen kleinen farbigen Steinen und Muscheln, und ich bin beschämt.
Ich musste dann tatsächlich an die Erzählung vom „Manna“, vom Himmelsbrot aus dem Alten Testament denken. Das Volk Israel wird aus der Sklaverei in Ägypten befreit und soll nun ins Gelobte Land ziehen – das Land, in dem Milch und Honig fließen. Das Land, in dem sie endlich frei sein werden! In dem sie Wohlstand genießen und in Frieden werden leben können. Das ganz große Glück eben!
Aber, es kommt anders. Statt Glück und Wohlstand wandern sie nun ziellos in der Wüste herum. Kein Gelobtes Land, kein Honig, keine Milch. Und, sie werden unzufrieden…
Aber Gott kümmert sich dennoch! Er antwortet mit Wachteln und Manna. Quasi frei Haus! Aber: Sammelt nicht mehr, als ihr für einen Tag braucht. Werdet nicht gierig! Haltet die Augen auf und seht, was Gott alles mit euch vorhat. Haltet die Augen auf für seinen reichen und vielfältigen Segen. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Vertraut darauf, dass Gott für euch sorgt!
Kleiner Nachtrag: Am letzten Tag habe ich dann doch noch – ziemlich überraschend – einen richtig schönen Bernstein gefunden (zeigen). Gott beschenkt uns nicht nur in vielfältigen „kleinen“ Mengen, sondern manchmal ist auch das ganz große Glück dabei. Manchmal ist es eben doch mehr.
Und tatsächlich, wir haben bereits das ganz große Glück, das ganz große Fundstück von Gott bekommen: Christus, der das wahre Himmelsbrot ist. Wir haben Christus bekommen, und mit ihm Frieden und Vergebung. Wir brauchen nicht weiter zu suchen und vergeblich zu hoffen.
So erklingt es auch in dem Lied „O heilge Seelenspeise“, ein Lied, dass es leider nicht in unser neues Gesangbuch geschafft hat. Ich schließe mit diesen beiden Versen:
O heilge Seelenspeise
Auf dieser Pilgerreise
O Manna, Himmelsbrot!
Wollst unsern Hunger stillen,
Mit Gnaden uns erfüllen,
Uns retten vor dem ewgen Tod.
O Herr,
was wir hier schauen
in Glauben und Vertrauen,
das zeige uns im Licht,
und lass es einst geschehen,
dass ewig wir dich sehen
von Angesicht zu Angesicht.
Amen
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Pastor Roland C. Johannes
Juli 2022