Jesus führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
Liebe Gemeinde, ganz besonders, ihr, liebe Konfirmationsjubilare,
wer die Bücher von Thomas Mann gelesen hat, der wird wissen, wie ausführlich und detailliert man gewisse Ereignisse doch beschreiben kann, wenn man es denn möchte. Gerade neulich noch habe ich mich durch „Buddenbrooks“ mehr oder weniger gequält und ich war erstaunt, wie facettenreich man doch ganz alltägliche Vorgänge beschreiben kann.
JRR Tolkien macht es ganz ähnlich. In seinem Meisterwerk „Herr der Ringe“ / „Lord of the Rings“, da braucht er auch recht lang, um gewisse Vorgänge zu beschreiben. Seiten und Seiten und Seiten… Alles sehr spannend, klar! Keine Frage! Aber doch manchmal irgendwie langwierig und erschöpfend (im wahrsten Sinne des Wortes).
Dann gibt es aber auch Autoren, die gewisse Ereignisse kurz, knapp und prägnant rüberbringen. So der Evangelist Lukas in der heutigen Evangeliumslesung zum Himmelfahrtsfest. Kurz, knapp und prägnant beschreibt er, was dort bei Bethanien passiert ist. Keine Ausschweifungen, keine Beschreibung der Szene, keine Details. Kurz, knapp und direkt auf den Punkt:
Jesus führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
So kurz und knapp, dass einer gestern Abend im Hauskreis sogar fragte: „Kann man über den Text denn überhaupt predigen?“
Ja, kann man! Ihr Lieben, es ist ein kleiner, wichtiger Punkt, eine kleine Bemerkung, ganz am Ende des ersten Satzes, die hier ganz entscheidend ist. „Er hob die Hände auf und segnete sie.“
Jesus ist dabei die Jünger zu verlassen. Nachdem sie drei Jahre lang mit ihm unterwegs waren, alles aufgegeben hatten ihm zu folgen, vieles erlebt hatten – nicht zuletzt seinen Tod und seine Auferstehung, so verlässt er sie nun und kehrt in den Himmel zurück, zu seinem Vater.
Können wir uns eigentlich vorstellen, was dort in den Jüngern so vor sich gegangen ist? Die werden beklommen und beunruhigt gewesen sein. Sie werden Angst gehabt haben. Was soll nun aus uns werden, wenn der Meister nicht mehr da ist? Wie soll es weitergehen?
Aber Jesus geht weg, und bleibt doch. Es geschieht etwas paradoxes: Er geht zum Vater, aber er sagt den Jüngern seine Gegenwart zu. Bei Matthäus lesen wir, dass Jesus an dieser Stelle den Jüngern sagt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!
Ihr Lieben, der Segen ist ja nichts anderes als Zuspruch der Gegenwart Gottes. Es ist der Zuspruch, dass Jesus bei uns ist, auch, wenn wir ihn nicht sehen können. Und so können die Jünger mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehren! Mit großer Freude, weil sie wissen, dass Jesus bei ihnen ist, weil sie glauben und fest darauf vertrauen, dass er sie niemals verlassen wird.
Diese Erfahrung der Nähe Gottes werdet ihr, ihr lieben Jubilare, in eurem Leben ebenfalls gemacht haben. Es gibt im Leben Momente, wo die Nähe Gottes fast greifbar ist! Wo Jesus da zu sein scheint! Wo man der Segen förmlich spürt!
Es gibt aber auch Momente, in denen diese Gegenwart etwas diffus ist. Momente, in denen Jesus eher hinter eine Wolke zu verschwinden scheint. Momente, in denen er scheinbar ganz weit weg ist. Auch das werdet ihr erlebt haben. Stunden des Leids und der Trauer, Stunden der Frust und der Verzweiflung, Stunden der Aussichtslosigkeit.
Ihr Lieben, euch wurde bei eurer Konfirmation der Segen Gottes zugesprochen. Euch wurde die Gegenwart Gottes förmlich aufgelegt. Christus selbst hat euch zugesprochen: „Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!“ Ich werde da sein, auch wenn du mich nicht siehst. Ich werde da sein, auch wenn du es nicht fühlst. Ich werde da sein, egal was kommt.
Wenn wir heute zusammen mit euch eure Konfirmation gedenken, dann gedenken wir genau das: Dass dieser Jesus versprochen hat, bei euch zu sein. Und da denken wir nicht nur dran, sondern dafür danken wir auch.
Kann man über diesen Text überhaupt predigen? Ja, kann man! Weil alles Wesentliche da ist. Weil Christus uns segnet. Weil er uns seine Gegenwart verspricht. Weil er uns zusagt, dass er alle Tage bei uns sein wird. Weil wir seitdem wissen, dass wir niemals allein sind. Kurz, knapp, prägnant. Mehr braucht es nicht. Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Mai 2022