Singt Gott dankbar in euren Herzen!
Ihr Lieben,
unser Herz ist niemals stumm. Im Gegenteil. Wenn wir still werden, hören wir sie: Die vielen Stimmen in uns. Und die unterschiedlichen Melodien. Unser Herz ist nämlich oftmals ziemlich laut. Erfüllt mit Klang und Gesang. Und diese Lieder in uns klingen sehr verschieden. Gerade in dieser Zeit.
Ich bin viel im Gespräch mit verschiedenen Menschen. Als Seelsorger versuche ich mit Menschen Kontakt zu halten. Manche öffnen ihr Herz und singen mir ihr Lied.
Ich höre Lieder voller Ungeduld. Wie Rockmusik, mit schnellem Rhythmus und drängendem Bass. „Es reicht mir endgültig mit dem ganzen Corona-Zeug!“
Ich höre Lieder der Überforderung. Ne Menge Eltern haben den große Mühe. Kinder. Chaos. Homeoffice mit allen vor und vielen Nachteilen. Weiterhin Computerkonferenzen – alles ist zu viel.
Ich höre langsame, traurige Lieder. Molltöne. Trauergesang. Seelen, die unter den Coronabedingungen leiden und nun auch unter den gesellschaftlichen Folgen. Ausgebremst fühlen sie sich. Einsam. Depressiv.
Ich höre aber auch gelassene, beschwingte und fröhliche Lieder. „Uns geht es gut. Wir genießen dass wir gelernte haben nicht so viel müssen, was wir eigentlich nicht wollen. Es ist viel einfacher geworden auf die eigenen Bedürfnisse einzugehen.“
Die Lieder unseres Herzens sind vielstimmig. Nicht jeden Tag sind sie gleich. Sie klingen in uns, hallen von einer Herzenswand zu anderen und können sich dadurch verstärken wie in einer großen Echokammer.
Manchmal werden sie so laut, dass sie uns ganz in Beschlag nehmen. Und dann bestimmt der Rock, der Blues, der Trauergesang unser Leben. Tönt überlaut. Obwohl wir das eigentlich gar nicht wollen.
Was tun? Der Apostel Paulus rät: Raus damit! Sing es heraus. Singt Gott in Euren Herzen!
In den Psalmen kommt dieser Gesang ganz oft vor. Menschen singen ihren Blues, Rock und Trauergesang Gott vor. Die Bibel nennt diese Liedform Klage.
Als Gesellschaft haben wir das verlernt. Da hört man schnell „komm, jammer nicht rum! Stell dich nicht so an! Wir müssen da schließlich durch!“
Solche Sätze verhindern Klage, würgen sie ab. Das hat zur Folge: Die Melodien bleiben in uns drin und werden immer lauter. Dabei ist es nicht gut, das, was gerade in uns singt, zu unterdrücken. Es geht darum, es rauszulassen, zuzuhören und dadurch zu verarbeiten. Nur so kann es gehört, bearbeitet und verstanden werden. Nur so können wir diese Melodien in unser Lebenslied integrieren.
Die Psalmenlieder im Alten Testament machen es uns vor. Zum Beispiel Psalm 88: Herr ich schreie vor dir um Hilfe. Schon früh am Morgen klage ich dir mein Leid. Hier lässt der Beter die Melodie seines Herzens raus. Ermutigend ist das. Ich lerne daraus zwei Dinge:
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Es ist legitim, zu Gott zu klagen. Du musst nicht das Gefühl haben: „Wenn ich Gott klage, dann nerv ich beim ihm rum oder ich bombardier‘ ihn mit Sachen, die ihn eigentlich gar nicht interessieren.“ Sondern: Das ist bei Gott so gedacht. Gott sagt: „Ich bin ein Gott, der das Lied deines Herzens hört – egal wie es klingt. Ich bin ein Gott, der deine Tränen, deinen Stress, deine Wut sieht. Ich bin ein Gott, der das wenden möchte. Ich bin ein Gott, der ein Ohr für dich hat. „Herr, ich schreie zu dir um Hilfe!“ Das ist in Ordnung. Das sollst du sogar. Sing Gott in deinem Herzen!
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Schon früh am Morgen klag ich dir mein Leid. So singt die Psalmbeterin und der Psalmbeter. Das ist eine gute Routine, finde ich. Es darf auch eine Routine der Klage geben. Wir müssen nicht einfach alle Dinge in uns reinfressen. Die Dinge, die zu uns kommen, die Melodien, die dadurch in uns klingen, die sollen nicht in uns drin bleiben.
Wenn wir Gott singen in unserem Herzen, dann können wir den Trauergesang, den Blues und den drängenden Rock in Klage umwandeln. Wir können das alles vor Gott bringen in unserem Gebet. Wir können zu Gott kommen und sagen: „Gott, sieh an, was in meinem Leben los ist. Ich leg dir offen, womit ich nicht klar komme. Ich leg dir offen, wo die Dinge sind, die mir wirklich gerade Stress und Probleme und Angst machen. Die mich lähmen. Ich komm damit zu dir.“
Wer das tut, hat einen großen Schritt gemacht. Es ist ein Riesenunterschied ob ich in meinem Herzen für mich singe, ob das Lied nur in mir tönt, oder ob ich es Gott singe. So bekommt mein Herz einen Hörer.
Und: so kommt mein Herz in einen Dialog. Aus dem Sologesang entwickelt sich ein Duett. Gottes Stimme kommt mit hinein.
Eine Frau erzählt mir, wie sie das erlebt hat. „Es war nur ein ganz kurzer Satz.“ sagt sie: „Einer, den ich eigentlich schon lange kenne. Aus Psalm 23: Denn du bist bei mir! Dieser eine Satz hat mir einen unglaublichen Trost und einen Halt gegeben.“
Da erklingt im Herzenslied die Stimme Gottes. Und die verändert den Gesang. Singt Gott in euren Herzen! rät der Apostel Paulus. Im gleichen Vers heißt es: „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.“ Jesu Worte durchbrechen die Endlosschleife des Gesangs in unseren Herzen. Wo wir uns um uns selber drehen und nur noch unser Leid, unser Schicksal, unsere Krankheit, unsere Sorgen und unsere Schuld sehen. Da singt Jesus seine Worte in uns hinein.
Worte,
- die entlasten: Deine Sünden sind dir vergeben!, (Mt 9,2)
- die herausfordern: Folge mir!, (Mt 9,9)
- die einladen: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will Euch erquicken. (Mt 11,28)
- die Mut machen: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! (Mt 28,20)
- die mahnen Liebt eure Feinde!, (Mt 5,44)
- und trösten: Seid getrost, ich bin’s, fürchtet euch nicht! (Mt 14,27)
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen! Es geht darum diese Worte in sich widerhallen zu lassen, diesen Worten bei sich Raum zu geben, damit sie uns prägen und gestalten. Und zwar reichlich.
Singt Gott in eurem Herzen! rät der Apostel Paulus. Und weil dieses Singen immer auch unser Herz verändert, sagt er: Singt Gott dankbar in euren Herzen mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern.
Denjenigen von euch, die trotz allem entspannt und positiv gestimmt sind, wird das leicht fallen, Gott zu danken. Du brauchst einfach nur der Bewegung deines Herzens folgen und dem vagen Gefühl der Dankbarkeit einen Adressaten zu geben: Gott.
Bei allen anderen Blues-, Rock- und Moll-Gestimmten liegt der Dank nicht oben auf. Aber es könnte sein, dass er sich durch das Duett mit Gott einschleicht. Und dass er sich dann Bahn bricht. Vielleicht indem du einfach eines von den vielfältigen Liedern aus diesem Gottesdienst mitsummst oder mitsingst.
Singt Gott in euren Herzen! empfiehlt der Apostel Paulus. Ein guter Rat. Denn in deinem Herzen kann es anfangen. Es hört diese großartige Botschaft: Gott ist da. Gott ist dir nah. Und dann formt sich eine Melodie. Zaghaft zunächst. Aber immer lauter werdend. So deutlich, dass der Mund irgendwann gar nicht anders kann als mitzusingen.
Vielleicht geht es aber auch andersherum. Du summst oder singst eines der Lieder aus diesem Gottesdienst mit. Und dein Herz hört das, was dein Mund singt und stimmt mit ein.
Singt Gott in eurem Herzen. Das kann ganz leise geschehen. Aber es bleibt nie ohne Folgen. AMEN.
Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid, regiere in euren Herzen. (Kol 3,15) Amen.
Pastor Florian Reinecke,
Mai 2022