Gottes heiliges Wort für diese Predigt ist die heutige Evangeliumslesung, die wir zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben, aus Johannes 12, 12-19:
Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht (Sach 9,9): »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Der Herr segne an uns sein Wort.
Amen.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Der rote Teppich wird ausgerollt! Der König wird in Empfang genommen! Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!
Ich glaube wir können uns kaum vorstellen, wie es den Jüngern dabei ergangen ist. Wie bewegend das für sie gewesen sein muss. Sie hatten alles aufgegeben, um Jesus nachzufolgen. Hatten alles auf diesen Mann gesetzt. Hatten gehofft, dass er es sein würde, der in Israel herrschen wird. Und nun hatte er es geschafft! Er war der Held! Das ganze Volk rief ihm zu, nannte ihn sogar „König von Israel.“ Und sie, diese einfachen Männer aus Galiläa, sie waren dabei! Sonnten sich im Glanz und in der Anerkennung. Sie waren ganz oben. Bewegende Szenen.
Nur weniger Tage später, da sieht die Welt schon ganz anders aus. Einen schnelleren Abgang kann man sich eigentlich nur in der deutschen Politik vorstellen! Es geht rapide bergab. Jesus wird als König empfangen, und wenige Tage später als Verbrecher gekreuzigt. Und die Jünger, die kurz zuvor noch ganz oben waren, die sich schon in Jerusalem im Palast am Regieren sahen, mussten sich vor Angst verkriechen. Der Unterschied könnte krasser nicht sein.
Warum ist es so gekommen? Falsche Erwartungen! Die Menge hatte gehört, wozu dieser Jesus imstande war! Tote kann er auferwecken! Wow! Er ist es, der uns aus der Unterdrückung der Römer erlösen wird! Er ist es, der uns Einheit und Sicherheit schenken wird! Er ist es, der für Arbeitssicherheit und eine stabile Rente sorgen wird! Er ist es, der die Inflation verhindern wird! Er ist es, der das Klima retten wird! Er ist es, der Russland und die Ukraine an einen Tisch bringen und für Frieden sorgen wird! Er ist es!
Falsche Erwartungen. Nichts neues.
Auch bei den Jüngern, falsche Erwartungen. Sie haben es ja selbst gesagt, auf dem Weg nach Emmaus: „Wir aber hofften, er sollte Israel erlösen!“ Unsere frommen Ohren hören da Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit – die meinten durchaus aber Erlösung auch im weltlichen Sinne! Erlösung von der Unterdrückung der Römer, Erlösung aus der Armut und dem Elend dieser Welt, Erlösung aus der Bedeutungslosigkeit. Sie sahen sich (wie gesagt) bereits in Jerusalem am Regieren. Hatten unter sich schon ausgemacht, wer Außen- und wer Finanzminister werden soll! Wer zur Rechten und zur Linken von Jesus sitzen wird.
Falsche Erwartungen. Sie sind menschlich. Aber, ihr Lieben im Glauben werden unsere falschen Erwartungen ausgelöscht. Im Glauben werden unsere Augen geöffnet. Sie werden geöffnet, damit wir sehen, wer Jesus wirklich ist und wozu er wirklich in diese Welt gekommen ist. Unsere Augen werden geöffnet, damit wir ihn recht erkennen. Damit wir ihn als auferstandenen Herrn des ganzen Universums sehen, dessen Reich nicht von dieser Welt ist.
Weil wir im Glauben vom Karfreitag und von Ostern herkommen, weil wir wissen, dass Jesus den Tod besiegt hat und auferstanden ist, können wir es umgekehrt machen! Wir können es umgekehrt machen wie die Jünger, die damals mit Jesus nach Jerusalem einzogen: Am Sonntag jubeln sie mit Palmenzweigen und rufen „Hosianna!“, am Freitag verkriechen sie sich vor lauter Angst und Traurigkeit. Wir können es umgekehrt machen! Wir kommen aus den Ängsten und Traurigkeiten heraus zu unserem lebendigen Herrn! Wir kommen mit unseren Sorgen und Nöten zu ihm! Wir fangen unten an und enden ganz weit oben! Wir kommen aus der Not und jubeln ihm zu als unseren König. Genau andersherum!
Warum? Weil wir wissen, dass unser König das Leid auf sich nehmen musste. Weil wir wissen, dass das Kreuz nicht den Tiefpunkt, sondern vielmehr den Höhepunkt darstellt. Weil wir wissen, dass wir durch seine Wunden geheilt sind! Weil wir keine falschen Erwartungen haben! Wir erwarten von Jesus keine politische Macht. Wir erwarten kein irdisches Glück. Wir erwarten nicht den Himmel auf Erden.
Und so gehen wir in diese Karwoche vielleicht gefühlt vom Höhepunkt Palmarum in Richtung Tiefpunkt Karfreitag. Ist es doch genau andersherum! Wir gehen in diese Karwoche dem erhöhten Herrn Jesus Christus entgegen, der am Kreuz den Sieg erlangt. Der auferstehen und sich als Herr der Welt zeigen wird! Es geht von hier für uns nicht mehr bergab, sondern vielmehr bergauf. Der rote Teppich ist ausgerollt!
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
April 2022