Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen
Gottes heiliges Wort für diese Predigt ist die Evangeliumslesung aus Matthäus 17. Ich verlese noch einmal die ersten drei Verse:
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen
Johannes richtet den Blick nach oben. Er hätte nie gedacht, dass er Jesus jemals so sehen würde. Niemals. Und diese zwei Männer mit ihm – unglaublich! Was reden sie da? Es ist fast unmöglich, etwas auszumachen. Doch dann, dann kann Johannes doch etwas verstehen. Erstaunliche Worte, die er niemals vergessen wird: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ „Siehe, das ist deine Mutter.“ „Es ist vollbracht.“
Und dann ist es vollbracht. Vorbei. Alles aus. Jesus neigt sein Haupt und stirbt …
Liebe Gemeinde, ihr denkt euch jetzt vielleicht: Wovon redet der? Es ist doch nicht Karfreitag! Es ist der letzte Sonntag nach Epiphanias, der Sonntag der Verklärung! Es ist nicht der Tag, an dem Jesus stirbt, sondern der Tag, an dem er in seiner ganzen Herrlichkeit erscheint! Lieber Herr Pfarrer, Sie befinden sich auf dem falschen Berg…
Doch nein, ihr Lieben! Diese beiden Berge – der Berg Golgatha bei Jerusalem und der Berg Tabor, etwa 100 Km weiter nördlich in Galiläa, diese beiden Berge sind verwandt. Ja man könnte fast sagen, dass man den einen nicht ohne den anderen verstehen und einordnen kann.
Jesus zeigt sich auf dem Berg der Verklärung, auf dem Berg Tabor, für kurze Zeit als Herr der Herrlichkeit, als Herrscher der Welt, als Sohn Gottes. Er zeigt sich, wie er wirklich ist. Er zeigt, wer er ist. Ganz kurz nur.
Dieser Anblick muss unglaublich gewesen sein. Petrus ist so begeistert, dass er am liebsten einfach dort so bleiben will.
Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen! Lasst uns diesen Moment einfangen, lasst uns immer so bleiben. Ich will hier nicht mehr weg!
Vielleicht hast du das in deinem Leben schon mal erlebt – dass ein Moment so schön, so überwältigend war, dass du ihn am liebsten für immer festhalten möchtest. „So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehen.“ Wann haben wir das das letzte Mal aus voller Überzeugung gesungen? Ich kann mich kaum dran erinnern…
Der Moment ist perfekt. Jesus ist Herr der Welt, er ist Gott selbst! Sein Gesicht strahlt wie die Sonne, seine Kleider sind weiß wie das Licht! Unfassbar! Und neben ihm stehen Mose und Elia, diese beiden großen Propheten des jüdischen Volkes! Und Petrus, Jakobus und Johannes dürfen dabei sein! Sie dürfen sehen, wie das ist, wenn alles Leid, wenn Schmerz, Trauer, Frust, Schwachheit, wenn das alles weg ist. Wenn alles nur noch perfekt ist. Wenn es keine Sünde mehr gibt. Keinen Krieg, kein Virus. Kein nichts.
Wer von uns würde diesen Moment nicht ebenfalls festhalten wollen? Ich blicke auf mein Leben, ich blicke auf mein Umfeld, ich schaue auf das, was sich weltweit gerade abspielt, und ich habe es satt. Was würde ich nicht geben, dass das alles einfach so vorbei wäre? Was würde ich nicht geben, jetzt zusammen mit Jesus, mit Mose und Elia, mit Petrus und Jakobus und Johannes auf dem Berg Tabor zu stehen?
Doch der Moment vergeht. Dieser einer Moment, er ist vorbei. Jesus bleibt nicht dort auf dem Berg Tabor, sondern er geht wieder hinunter. Er geht wieder runter, weil er diesen anderen Berg erklimmen wird. Den Berg Golgatha.
Wisst ihr, was in der ganzen Sache das Erstaunliche ist? Nicht das, was sich auf dem Berg Tabor abspielt! Nein, das ist, wer Jesus immer schon war. Das ist nichts Neues! Nein, die eigentliche Verklärung, die eigentliche Verwandlung, das eigentliche Wunder, geschieht auf Golgatha.
„Denn Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht.“ (2. Kor 5, 21). Das ist das eigentliche Wunder! Das ist das Erstaunliche! Dass Jesus, der doch Gottes Sohn ist, der Herr der Herrlichkeit und Herrscher über alles ist, – dass dieser Herr unsere Sünde, unser Leid, unseren Schmerz auf sich genommen hat. Das er eben nicht auf dem Berg Tabor geblieben ist, wo er eigentlich hingehört, sondern sich aufgemacht hat, um den Berg Golgatha zu erklimmen.
Vielleicht sieht es in deinem Leben eher nach Golgatha aus. Vielleicht sehnst du dich nach Tabor. Ich tue es, ganz gewiss! Denke daran: Jesus ist vom Berg Tabor hinuntergestiegen, ist den Berg Golgatha hinaufgegangen – und das alles für dich. Damit dein Golgatha nicht ewig dauert. Und damit du - nicht nur für eine kurze Zeit, sondern für immer - auf dem Berg Tabor, in der Gegenwart Gottes sein darfst.
Tabor bleibt für uns, die wir noch in dieser Welt leben, weitgehend verschlossen. Aber wir wissen, dass das nicht immer so sein wird. Das auch wir, die wir an Jesus Christus glauben und in seinem Namen getauft sind, das ebenfalls erleben werden.
Was heißt hier verschlossen? Bereits jetzt bekommen wir Einblick, haben wir Anteil an dieser Herrlichkeit, an dieser Verwandlung, an dieser Verklärung. In Gottes Wort, in seinem Sakrament, im Glauben an den lebendigen und ewigen Gottessohn, da wird dieser Berg auch für uns sichtbar, bereits jetzt. Da bekommen wir ein Vorgeschmack wie das sein wird, wenn alles perfekt ist. Wenn es kein Leid, keine Trauer, keinen Schmerz mehr geben wird. Wenn wir Frieden mit Gott haben. Unsere Sünden, unsere Verfehlungen alle weg sind. Wer von uns würde das nicht ebenfalls für immer festhalten wollen?
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Januar 2022