Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“
Liebe Gemeinde!
Ein Student kommt zu spät zur Vorlesung. Der Professor fühlt sich durch die Verspätung gestört und fragt den zu spät gekommenen Studenten: „Haben Sie gedient?“, was der Student bejaht. „Und“, so der genervte Professor weiter, „was hat der Feldwebel zu Ihnen gesagt, wenn Sie zu spät gekommen sind?“ Der Student entgegnet trocken: „Guten Morgen, Herr Leutnant!“
Der Schuss ging nach hinten los.
Befehl und Gehorsam, das ist bis heute die tragende Grundstruktur beim Militär. Der mit dem höheren Rangabzeichen erteilt dem ihm Untergebenen Befehle, die dieser auszuführen hat. Das war damals so und ist heute so; weltweit und zu allen Zeiten durch die Jahrtausende.
Das Evangelium des heutigen Sonntags aus Matthäus 8 – wir haben es eben gehört - führt uns zu einem Hauptmann der römischen Besatzungstruppen in Israel. Dieser Hauptmann geht zu Jesus! Er hätte einen Untergeordneten schicken können. Oder er hätte Jesus auch einfach kommen lassen können. Befehl und Gehorsam. Macht er aber nicht! Er geht selbst.
Und dann geschieht etwas Bemerkenswertes: Er spricht Jesus mit „Kyrios“ an! „Kyrie“ – Herr! Wer Herr ist, hat Macht. War nicht der Hauptmann derjenige, der hier die Macht besaß, und Jesus ein einfacher Zimmermann aus Nazareth? „Kyrie“ – Herr!
So haben wir Jesus in diesem Gottesdienst ebenfalls begrüßt und angesprochen. „Kyrie“ – das ist ein Hoheitstitel! Niemand ist über ihm. Er ist Gottes Sohn, sitzend zur rechten des Vaters. Herr ist er über uns. Über alles.
Doch es ist noch etwas bemerkenswertes geschehen: Dieser Kyrios, dieser Herr, hat sich aufgemacht, um Knecht zu werden. „Er wird ein Knecht und ich ein Herr: das mag ein Wechsel sein!“ (ELKG 334) Wir haben es an Weihnachten gesungen.
Dieser Herr wird arm, um dich reich zu machen!
Er lässt sich die Dornenkorne aufsetzen, damit du die Krone des Lebens empfängst!
Er trägt die Einsamkeit am Kreuz, damit du ewige Gemeinschaft hast!
Er geht in den Tod am Kreuz, damit du nicht überkreuz mit Gott und deinem Nächsten liegen musst!
Er steht aus dem Grab auf, damit du mit ihm ewig lebst!
Er herrscht, damit du in ihm geborgen bist!\
Ihr Lieben, ist es nicht bemerkenswert, dass der Hauptmann – ausgerechnet der Hauptmann, der doch alle Macht besitzt – dieses erkennt? Er kommt zu Jesus mit seiner Bitte. Er weiß, dass Jesus helfen kann. Er kennt die Grenzen seiner eigenen Macht, und vertraut stattdessen auf die grenzenlose Macht des Sohnes Gottes.
Dann geschieht wieder etwas Bemerkenswertes: Jesus ist bereit, in das Haus des Hauptmanns zu kommen! Das lässt sich mit unseren Ohren heute leicht hören. Wir finden nichts dabei! Doch, diese Bereitschaft Jesu ist ein Tabu-Bruch! Ungeheuerlich! Unfassbar! Ein Affront!
Ein Jude kann nicht in das Haus eines Heiden gehen. Er macht sich unrein…
Aber Jesus ist bereit ins Haus zu kommen. Ein Hausbesuch, den wohl jeder gern und freudig empfangen würde. Doch der Hauptmann lehnt ab! Unfassbar! Ungeheuerlich! Ein erneuter Affront. Gebietet es nicht die Gastfreundschaft Jesus zu empfangen? Und – hat nicht er – der Hauptmann – Jesus gebeten seinen Knecht gesund zu machen? Was um alles in der Welt ist in diesen Hauptmann gefahren, den Heiland der Welt die Herberge zu verwehren?
„Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“
Der Hauptmann erkennt, dass er mit Jesus nicht auf Augenhöhe redet. Er kennt seine Stellung. Er ist es nicht wert, dass der Herr, der Kyrios, unter sein Dach kommt.
Ihr Lieben, im Gegenüber zum Herrn erfahren auch wir, wer wir sind. Niemand ist mit ihm auf Augenhöhe. Sünder sind wird; Menschen, die Heilung brauchen. Die Begegnung mit dem Kyrios macht demütig. Die Worte des Hauptmanns werden zu unseren Worten:
„Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“
Ein Wort!
Dieses Wort haben wir vorhin in der Beichte gehört: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Dieses Wort werden wir gleich im Abendmahl hören: „Für dich gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden!“ Es ist der Herr der Welt, der Kyrios, der dieses Wort spricht! Es ist der Herr der Welt, der ein Knecht wurde, damit du Herr wirst! Der Herr der Welt, der die Rangordnung so richtig umgekrempelt hat! Der die Ordnung auf dem Kopf gestellt hat! Der aus arm reich macht, auch erniedrigt erhöht, aus einfachen Soldaten Feldwebel, aus Feldwebel Leutnante. „Das mag ein Wechsel sein!“
Wir sind mit dem Kyrios nicht auf Augenhöhe, und trotzdem kommt er zu uns. Wir sind ihm nicht gleich, trotzdem dürfen wir an seiner Herrlichkeit teilhaben. Wir sind es nicht wert, aber er hat ein Wort gesprochen. Und damit ist alles gut.
Das wollen wir nun im Heiligen Abendmahl miteinander feiern und gerne dieses Wort hören: Dieses Wort, dass unsere Seele gesund macht.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Januar 2022