Und nun ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen -, und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.
Liebe Gemeinde,
vor genau zwei Jahren, am 31. Dezember 2019, stand ich zum ersten Mal hier in der Martini-Kirche auf der Kanzel. Als Predigttext hatte ich diesen Abschnitt aus Jakobus 4 gewählt, die Epistellesung für den Neujahrstag.
Da ich diesen Gottesdienst heute Abend recht kurzfristig übernommen habe, war ich eilig und etwas panisch auf der Suche nach einer alten Predigt. Und ich habe die hier vom 31.12.2019 gefunden. Aber beim Durchlesen musste ich innehalten.
Nochmal: Es war Dezember 2019. Könnt ihr euch noch dran erinnern, wie das damals war? Vor dem Mindestabstand, vor den Kontaktbeschränkungen, vor dem ständigen Händedesinfizieren? Damals, als alles noch einigermaßen „normal“ war, als wir fröhlich und unbeschwert ohne Maske durch die Gegend liefen, uns selbstverständlich gegenseitig umarmten, als noch keine Krise in Sicht war?
Ich habe damals, an der Schwelle zum Katastrophenjahr 2020 Folgendes von der Kanzel gesagt (ich zitiere): „Wir haben alle Erwartungen, was das neue Jahr angeht. Wir haben alle unsere je eigenen Vorstellungen, wie es werden soll. Und wir meinen viel zu oft, dass wir die Kontrolle haben, dass wir wissen, wie alles ausgehen soll und auch wird.
Jakobus spricht uns heute, an der Schwelle zum neuen Jahr, hart an. Er redet Tacheles mit uns! „Und nun ihr, die ihr sagt!“ „Nun zu euch! Ihr, die ihr denkt, dass ihr wisst, wie das neue Jahr werden wird. Ihr, die ihr große Pläne habt! Ihr, die ihr meint zu wissen, wie alles laufen wird! Ihr wisst ja nicht einmal, was morgen wird! Ihr habt ja keine Ahnung, wie es laufen wird. Ihr wisst nicht einmal, ob ihr gleich nach dem Gottesdienst lebendig wieder nach Hause kommen werdet. Ihr seid Rauch. Nebel. Nichts. Ihr seid kurze Zeit da, und dann verschwindet ihr wieder…“
Das ist eine harte Rede. Aber Jakobus hat Recht. Wie oft ist es nicht so, dass wir unsere Pläne machen, unsere Vorstellungen haben, und damit denken, dass wir unser eigener Herr wären. Wie oft ist es nicht so, dass wir vor Übermut meinen, über unsere Zeit und Kraft zu verfügen, wie wir es wollen. Und wie leicht vergessen wir dabei, wie zerbrechlich doch unser Leben ist und wie schnell sich alles ändern kann. Wie schnell machen wir nicht unsere Pläne und lassen Gott dabei außen vor?
Lieber Bruder, liebe Schwester, was hast du für Pläne für das Jahr 2020? Was hast du Großes vor? Welche Erwartungen hast du für das neue Jahr? Gott spricht dir heute Abend zu und sagt: „Warte mal! Überlege dir das noch einmal! Du bist nicht der Herr über dein Leben. Du bist nicht der Chef – ich bin es. Ich entscheide. Ich habe alles in der Hand. Ich bin derjenige, der alles lenkt und führt. Ich! Nicht du.““ Zitat Ende.
Was habt ihr wohl gedacht, als ihr diese Worte Ende 2019 gehört habt? Was hatten wir alle wohl für Gedanken, als diese Verse aus Jakobus 4 verlesen wurden?
Ich selbst war gerade frisch in Deutschland angekommen, war froh und dankbar, bei der Familie zu sein! Es war alles neu und aufregend! Aufbruchsstimmung herrschte! Eine neue, große, lebendige Gemeinde! So viele neue Gesichte! So viele Aufgaben! Ich freute mich drauf, konnte es kaum erwarten. Hatte meine Pläne und Vorstellungen. Ich wusste zwar, dass es nicht immer einfach wird, aber die Aufregung und die Vorfreude waren dennoch groß.
Ich hatte mit allem gerechnet. Damit aber nicht.
Ich lerne daraus zwei Dinge:
Zum einen: Jakobus hat recht! Und das viel mehr, als mir lieb ist. Wir wissen nicht, was kommt. Und dennoch planen und machen wir, als wären wir diejenigen, die alles bestimmen könnten! Sind wir aber nicht. Die vergangenen zwei Jahre haben das eindrücklich aufgezeigt.
Zum anderen: Gott hält sein Versprechen! Er hat versprochen, bei uns zu sein alle Tage bis ans Ende der Erde. In der jetzigen Situation, aus der jetzigen Perspektive, nach zwei schweren Jahren, kann ich rückblickend sagen: Es stimmt! Gott hält sein Versprechen! Er war da, er hat uns nicht fallengelassen! Hat uns mit seinem Wort und Sakrament gestärkt, hat uns aufgefangen und getragen – immer und immer wieder! Er hat uns neue Wege gezeigt, wie wir Menschen in der Gemeinde und drüber hinaus erreichen können. Hat uns viele Möglichkeiten gegeben, uns in Nächstenliebe zu üben. Hat uns klar gemacht, dass er der Herr der Kirche ist und alles in der Hand hat. Hat uns vielleicht auch ein Stück bescheidener gemacht.
Es tut gut, sich das in der jetzigen Situation und aus der jetzigen Perspektive wieder ins Gedächtnis zu rufen!
Ich zitiere zum Schluss noch einmal aus meiner Predigt vom 31.12.2019:
„Mag das neue Jahr nun kommen! Mag es auch bringen, was der Herr will – Erfolg oder Versagen, Gewinn oder Verlust, Leben oder Tod – wir wissen uns dabei in seiner Hand geborgen. Wir wissen, dass unsere Pläne unter seinem Willen stehen. Wir wissen, dass er nur Gutes für uns will (auch wenn das, was uns passiert, im ersten Moment gar nicht so gut aussieht). Mag uns auch der Kontrollverlust Angst machen, eines steht fest: in Christus wird alles gut. Blicke auf ihn, blicke auf das Kind in der Krippe und sei getröstet. 2020 wird SEIN Jahr!“
Das, ihr Lieben, gilt auch für das kommende Jahr 2022.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Dezember 2021