Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.
Liebe Gemeinde,
vor Weihnachten werden viele Wunschzettel geschrieben. Meine Tochter hat vor einigen Tagen solch einen Wunschzettel aufgestellt und zur Weihnachtspostfiliale nach Himmelpfort geschickt, tatsächlich kam auch schon eine Antwort! Tolle Sache!
Es gibt auch Wunschzettel, die nur in Gedanken geschrieben werden. Zum Beispiel der Wunschzettel von Gemeindegliedern, wie der Pastor so zu sein hat! Nett soll er sein, menschlich und umgänglich. Auf jeden Fall soll er gut predigen können. Ein guter Seelsorger sein. Er soll die Jungen begeistern und auch mit den Älteren was anfangen können. Gut organisieren, gut zuhören, menschen- und lebensnah… die Liste ist lang.
Die Gemeinde in Korinth im ersten Jahrhundert nach Christus hatte auch ihre Vorstellungen, wie ihr Seelenhirte sein soll. Und sie machte keinen Hehl aus ihren Wünschen. Die Korinther konnten sich das leisten, denn bei ihnen gab es mehrere führende Persönlichkeiten, die sich um die Gemeinde kümmerten; so konnten sie vergleichen. (Könnt ihr hier in Martini ja übrigens auch). Und ausgerechnet der Apostel Paulus, der Gründer und geistliche Vater der Gemeinde, schnitt dabei nicht besonders gut ab. Er muss starke Kritiker in der Gemeinde gehabt haben. Kein guter Prediger, keine Ausstrahlung, zu theologisch und kompliziert, zu streng, kränklich…
Mit den Versen der heutigen Epistel lässt Paulus sich auf diese Kritik ein. Das heißt, eigentlich lässt er sich gar nicht richtig drauf ein. Er lässt diese Kritik gar nicht so sehr an sich herankommen. Er sagt der Gemeinde einfach, was in dieser Situation zu sagen notwendig ist!
Da ist zunächst einmal Aufklärung nötig, was ein Prediger des Evangeliums ist und was er nicht ist. Er muss kein wortgewaltiger Chefsprecher der Gemeinde sein (wie sein Kollege Apollos das wohl war). Er braucht kein gemeindeleitendes Multi-Talent zu sein. Er muss nicht alles können! Sondern „dafür halte uns jedermann“, so Paulus: „für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse“.
Das, ihr Lieben, ist noch heute das Entscheidende am geistlichen Amt: Die dazu berufen sind, sind ganz einfach Diener Christi. Man kann auch sagen: Handlanger Christi. Sie haben einfach das zu tun, was der Dienstherr ihnen aufträgt, nicht mehr und nicht weniger.
Ein Pastor ist also ganz einfach ein Handlanger Jesu Christi, der aus dessen Schatz die köstlichen und wertvollen Güter an die Gemeinde austeilt. Diese köstlichen und wertvollen Güter sind Gottes „Geheimnisse“ – die allerdings gar nicht mehr geheim sind! Es ist das Wort des Gesetzes und das Wort des Evangeliums. Es ist die heilige Taufe, das Heilige Abendmahl und die Heilige Absolution. Es sind die Gnadenmittel Wort und Sakrament, von denen der Glaube lebt. Die Mittel, durch die der Heilige Geist zu uns kommt und uns selig macht. „Christus ist für deine Sünden am Kreuz gestorben, du bist heilig und gerecht um seinetwillen, du wirst mit diesem Glauben selig werden“, das und nichts anderes haben wir Pastoren treu zu sagen, zu lehren, zu predigen. Nicht mehr und nicht weniger. „Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.“
Weil Gott selbst nicht mehr fordert und erwartet, steht Paulus der Kritik gelassen gegenüber. Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Paulus ein bisschen wegen dieser Gelassenheit beneide. Wenn ich doch mit Kritik auch so umgehen könnte wie er! Er schreibt: „Mir ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht.“
Ein Geringes ist ihm die Kritik der Gemeinde! Deren hohe Erwartungen und Forderungen regen ihn überhaupt nicht auf; er fühlt sich nicht gezwungen, ihnen entgegenzukommen. Er schmettert sie aber auch nicht wütend ab, er bleibt gelassen. Er weiß, worauf es ankommt: treu bleiben! Gottes Geheimnisse treu austeilen! Das Wort verkündigen, nicht mehr und nicht weniger! (Dann mag Gott durch dieses sein Wort handeln, wie er will…)
Das ist für mich eine große Entlastung: Nicht die menschlichen Qualitäten des Predigers bauen Gemeinde! Nicht von seinen Eigenschaften hängt der Glaube ab! Nein, es hängt allein an Gott und seinem Wort, an seinem Segen und Gedeihen. Es gefällt dem Herrn, sein Wort in den Mund unvollkommener (menschlich gesehen vielleicht sogar ungeeigneter) Menschen zu legen. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, hatte Gott dem Paulus mitgeteilt. Damit wird deutlich: Das Evangelium beruht nicht auf menschlichen Qualitäten, sondern es ist Gottes Kraft!
Und so bleibt Paulus getrost und gelassen. Das Richten überlässt er Gott. Auch wenn er sich selbst keiner Schuld bewusst ist – auf sein gutes Gewissen kann er sich nicht verlassen, das weiß er genau! Aber er weiß auch, dass er sich auf sein gutes Gewissen gar nicht verlassen muss! Seine Rechtfertigung hängt nicht von seinen Taten, von seiner vermeintlichen Treue ab, sondern allein von Christus.
Ich muss gestehen, dass diese Worte mich in diesen schweren Tagen und Zeiten sehr trösten. Pastor Reinecke und ich, wir sitzen oft da und grübeln über die Zukunft. Machen uns Sorgen, wie die Gemeinde diese Krisenzeit überstehen wird. Machen uns Gedanken über die vielen Gesichter, die wir nicht mehr zu sehen bekommen. Über die vielen Gemeindeaktivitäten, die zum Erliegen gekommen sind. Machen uns darüber Gedanken, was wir hätten anders oder besser machen können. Wie soll das alles wieder werden? Auch Pastoren haben Wunschlisten …
Aber, was hier für den Apostel gilt, das gilt auch für uns Pastoren! Und, es gilt entsprechend auch für euch, ihr lieben Geschwister im Glauben: Wo es um das Reich Gottes geht, da richtet nicht nach menschlichen Gesichtspunkten, sondern überlasst das Urteil getrost Gott! Vertraut darauf, dass er seine Gemeinde baut! Dass er seine Gemeinde auch durch diese Krise führen und leiten wird! Dass er alles in der Hand hat, trotz der oft unhandlichen und unbeholfenen Versuche seiner Diener, das Ganze irgendwie über Wasser zu halten!
Nur eins ist wichtig: dass wir – alle gemeinsam - treu erfunden werden. Dass wir treu und gehorsam am Wort unseres Herren bleiben.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. [Amen]
Pastor Roland C. Johannes,
November 2021