Wir ermahnen euch aber: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.
Liebe Gemeinde,
Kinder feiern gern Geburtstag! Besonders gern den eigenen. Da werden die Freunde aus der Schule oder aus der Nachbarschaft eingeladen. Und wenn dann die Geschenke ausgepackt und die letzten Krümel des Geburtstagskuchens vertilgt sind, geht’s vielleicht hinaus in den Garten oder auf den Spielplatz.
Dann die kritische Frage: Auf welches Spiel einigt man sich nun? Natürlich darf dann das Geburtstagskind das erste Spiel bestimmen. Schon ist der Anfang gemacht.
Doch dann kann es im kindlichen Übereifer und in der allgemeinen Aufregung des Tages vorkommen, dass ein Spiel doch nicht allen gefällt. „Macht doch, was ihr wollt! Ich spiele nicht mehr mit!“ So schreit es einer in die Runde, klinkt sich aus und wirft das Handtuch. Vielleicht schleißen sich andere Kinder an. So kann es gehen, wenn ein zusammengewürfelter Haufen von Kindern, die auch noch unter Zuckerschock stehen, zusammen ist.
Da braucht es dann die ordnende Hand eines Erwachsenen. Einer, der die Kinder wieder zusammenholt, der die Wogen glättet, der daran erinnert, welcher Anlass die Kinder an diesem Tage zusammengeführt hat. „Schaut her, ihr feiert doch Geburtstag! Es soll doch ein schöner Tag werden für das Geburtstagskind, oder? Hört doch mal auf zu streiten!“
Der Apostel Paulus hat ebenfalls eine junge Menschenschar im Blick. Allerdings keine Kinder auf einer Geburtstagsfeier, sondern die noch junge Gemeinde in der Hafenstadt Thessalonich, im Osten Griechenlands. Paulus hatte diese Gemeinde damals gegründet, war also quasi der „geistliche Vater“ der Gemeinde. Und nun schreibt er ihnen diesen Brief, weil ihm unter anderem zu Ohren gekommen ist, dass es in der Gemeinde Streit und Auseinandersetzung gibt. Er hat gehört, dass die Geburtstagsfeier nicht so harmonisch abläuft!
Wenn das Kind beim Geburtstag ruft: „Macht doch, was ihr wollt! Ich spiel nicht mehr mit!“, dann klingt das nach Rückzug. Im Gegensatz dazu geht es Paulus hier darum, dass jeder einzelne Christ, (quasi jeder, der auf dieser Geburtstagsfeier zugegen ist,) seinen Platz findet und in der Gemeinde bleibt. Dass wir – mit anderen Worten – in der Gemeinde so miteinander umgehen, dass es ein anziehender Ort ist. Dass Menschen sich gern dort aufhalten. Dass denen, die im Begriff sind zu sagen: „Macht doch, was ihr wollt – ich spiel nicht mehr mit!“ – gerade nicht geantwortet wird: „Bitteschön, wir kommen auch ohne dich klar!“ Sondern, dass ihnen in Liebe nachgegangen wird. Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. So sagt es Paulus.
Die Gemeinde soll sich nicht auseinander dividieren. Es gilt, sich einander zuzuwenden. Füreinander da zu sein. Paulus weist die Gemeinde darauf hin, dass Christus sich mit ihnen verbunden hat. Und diese Verbindung hat es mit sich gebracht, dass die einzelnen Glieder auch untereinander verbunden sind.
Ich bin nun seit anderthalb Jahren hier in der Martini-Gemeinde tätig. Die Arbeit bereitet mir sehr viel Freude. Auch in dieser Krisenzeit haben wir vieles erlebt, für das wir sehr dankbar sein dürfen. Uns geht es als Gemeinde unterm Strich gut. Aber wisst ihr, was mir sehr zu schaffen und sehr nachdenklich macht? Wenn ich unsere Gemeindekartei durchgucke und die vielen, vielen Namen derer sehe, die mir noch nie begegnet sind. Klar, als Pastor und Hirte muss ich raus und die Leute aufsuchen! Das ist meine Aufgabe! Ich versuche das auch nach Kräften. Aber dennoch sind am Sonntag sehr viele Plätze hier im Gottesdienst einfach leer. Viele von diesen Plätzen waren in der Vergangenheit besetzt – und ich rede hier nicht von den Plätzen, die jetzt Corona-bedingt freibleiben müssen.
Es waren mal mehr Kinder auf der Geburtstagsfeier. Ich will nicht behaupten, dass es auf dieser Feier besonders geknallt hätte oder offensichtlichen Streit gegeben hätte. Aber vielleicht haben sich mit der Zeit einige Kinder zurückgezogen, sitzen jetzt am Rande, blicken einsam auf die anderen, fühlen sich nicht wahrgenommen, fühlen sich ausgegrenzt.
Und ja, es braucht immer mal wieder die ordnende Hand eines Erwachsenen. Aber es ist nicht der Erwachsene, der die am Rande stehenden zurückholt, sondern eben die Kinder selbst. Ihr, liebe Gemeinde, sollt den Blick für die haben, die am Rande stehen. Die sich durch öffentlichen oder verborgenen Streit zurückgezogen haben. Die vielleicht enttäuscht wurden. Die – aus welchen Gründen auch immer – ihren Platz nicht gefunden haben. Und da hilft es nicht zu sagen: „Das ist eure Verantwortung! Kommt doch einfach dazu, wenn ihr wollt!“ Nein, es braucht Geduld, Liebe und Zuwendung. Es kostet Aufwand.
Der Apostel weiß, dass das gar nicht so einfach ist. Dass es Kindern mitunter schwerfällt, auf Geburtstagsfeiern selbst für Harmonie und Eintracht zu sorgen. Dass es nicht immer möglich ist, ein Spiel zu finden, dass alle mögen. Darum schreibt er zum Schluss diese bedeutenden Worte: Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.
Paulus weiß, dass die Kinder das nicht selbst hinbekommen werden. Und so greift er nicht selbst ein, sondern weist auf den hin, der allein eingreifen kann, nämlich Gott selbst. Gott soll die Gemeinde heiligen und sie bewahren. Sie zusammenführen und zusammenhalten. Den einzelnen Gliedern den Mut geben, dabeizubleiben. Ihnen gleichzeitig den Blick für die anderen schenken. Ihnen die Geduld und Liebe zukommen lassen, damit sie sich um die anderen mühen und sorgen können. Gott selbst muss das alles machen. Und er wird es auch. Er wird’s auch tun, sagt Paulus.
Wir sind darauf angewiesen, dass Gott uns zur Ordnung ruft. Vielmehr noch: Dass er selbst eingreift! Darum wollen wir jetzt gemeinsam in der Beichte unsere Schuld vor Gott bringen. Darum wollen wir uns von ihm heiligen und erleuchten lassen. In der Vergebung der Sünden wird unsere Verbindung zu Gott ja erneuert und gestärkt. Und dadurch gerät auch die Verbindung zu unserem Nächsten, zu unseren Glaubensgeschwistern, zu denen, die ebenfalls auf dieser Geburtstagsfeier zugegen sind, wieder neu in den Blick. Auch diese Verbindung wird in der Vergebung und in der Heiligung gestärkt. Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun. Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN.
Pastor Roland C. Johannes,
September 2021