Im dritten Monat nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, an diesem Tag kamen sie in die Wüste Sinai. Sie brachen auf von Refidim und kamen in die Wüste Sinai, und Israel lagerte sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge. Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der Herr rief ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du sagen zu dem Hause Jakob und den Israeliten verkündigen: Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten sagen sollst.
Liebe Gemeinde,
ich bin kein großer Filmkenner oder gar Experte! Aber ich habe mir in früheren Jahren gern die Filme von Indiana Jones angeschaut. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ – vielleicht kennt der eine oder die andere von euch den ebenfalls. „Raiders of the lost Ark“ – „Jäger des verlorenen Schatzes.“
Der jüdische Regisseur Steven Spielberg zeigt eine spannende Geschichte, in der die Nazis, ein französischer Archäologe sowie der Amerikaner Indiana Jones die verschollene Bundeslade – dem „verlorenen Schatz“ – hinterherrennen.
Die Bundeslade – wir kennen die Erzählung aus dem Alten Testament – dieser wandelnde Altar, der die steinernen Tafeln der Gebote beherbergt, Sinnbild für die Gegenwart Gottes bei seinem Volk, darum geht es hier. Dabei kommt es in diesem Falle nicht auf den materiellen Wert der Lade an, sondern um die ihr innenwohnende Kraft. Eine Kraft, die die Beteiligten für ihre Zwecke gebrauchen oder eben missbrauchen wollen.
Gott hat auch einen Schatz. Und Gottes Schatz ist ebenfalls kein Gegenstand – zumindest hat er keinen wirklichen materiellen Wert. Nein, Gottes Schatz ist sein Volk, das er sich zum Eigentum erwählt hat. Menschen, die er aus Not und Bedrückung errettet.
Israel ist ein solcher Schatz Gottes. Gott, der Herr der Völker, erbarmt sich dieses versklavten Volkes und befreit es der Hand der Ägypter. Dabei ist Israel so unbedeutend, dass die außerbiblischen Quellen fast nichts über diese Sklaverei und die Befreiung daraus wissen! Israel ist klein und unbedeutend – so klein, dass die geschichtliche Erinnerung dieses Volk eigentlich völlig hätte vergessen können.
Aber Gott hat sich diesem Volk in besonderer Weise zugewandt. Gott schreibt eben seine eigene Geschichte! Und diese Quellen und Zeugnisse über das alte Israel werden zum Grundstock des Buches der Bücher – die Bibel! Ein Buch, dass solch einen Einfluss auf die Weltgeschichte hatte und immer noch hat, dass daraus sogar Hollywood Filme ihre Ideen und Bilder nehmen!
Wie ein mächtiger Adler seine Jungen unter seine Fittiche nimmt, hat Gott sich Israels angenommen. Aber dieser Akt der Errettung – wir hörten es soeben in der Lesung aus dem 2. Buch Mose – ist nur der Anfang. Gott schleißt nämlich mit seinem Volk einen Bund. Dies geschieht nicht auf Augenhöhe einer gleichberechtigten Partnerschaft. Nein, hier gewährt ein Mächtiger einem weniger Mächtigen ein Schutzverhältnis. Wenn Gott einen Bund aufrichtet, ist es ganz und gar seine Tat (wie in der Taufe z.B.!**. Diese Art des Bundesschlusses ist eigentlich vielmehr wie ein Testament, eine erbliche Verfügung. Es ist eine Verfügung, die nur von dem ausgehen kann, der Besitzer des Erbes ist. Er verfügt darüber souverän. Israel kann sich sein Erbe nicht verdienen – es wird ihm bloß zugesprochen.
Aber wir wissen auch dieses: ein Erbender hat nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten. Aus dem Bund – besser gesagt aus diesem Testament Gottes – ergibt sich nun die Verpflichtung, diesem Erbe zu entsprechen. Israel erweist sich als Eigentum und Kleinod Gottes, wenn es seine priesterliche Berufung erfüllt! Israel soll ein Königreich von Priestern sein und als Volk heilig leben – so sagt es Gott! Wenn Israel bei Gott bleibt, bleibt es auch unter dem Schutz des Allmächtigen und wird für die anderen Völker zum Vermittler der Gnade Gottes! Das ist die Verpflichtung!
Aber genau an dieser Stelle gibt es ein Problem. Ja, auf der einen Seite wird Israel dieser Berufung gerecht, das wollen wir hier festhalten. Es ist Zeuge des einen und wahren Gottes. In ihm finden die heiligen Schriften Raum und werden überliefert. Israel hat der Welt die Bibel gegeben, dieses einzigartige Buch, in dem sich der Gott Israels bezeugt. Die 10 Gebote werden ein Grundgerüst für Normen weltweit! Die Welt verdankt Israel einen freien Arbeitstag pro Woche. Als Christen verdanken wir Israel die Grundstruktur des Gottesdienstes. Und – das dürfen wir ebenfalls nicht vergessen – Jesus selbst wird als Jude geboren. Israel hat uns viel gegeben und eine bedeutende Rolle in der Geschichte gespielt!
Aber – ich sagte es bereits – es gibt ein Problem: Israel hat die Treue gegenüber Gott und seinen Weisungen nicht immer durchgehalten. Es passte sich zu gern der heidnischen Umgebung an. Es fällt immer wieder von Gott ab, betet fremde Götter an. So kommt es zu Vertreibungen und Erfahrungen des Exils. Besonders schmerzhaft ist, dass es zunächst seinen Heiland und Messias verkennt.
Und so – weil Israel diesen Messias nicht erkennt – ruft Gott Menschen aus anderen Völkern in seine Heilsgemeinschaft. Gott weitet den Bund aus. Er ist nicht mehr nur exklusiv für Israel gedacht, sondern für alle. Für dich und für mich. Wir werden Gottes Hausgenossen und Miterben, wie Paulus das so schön sagt.
Und daher gilt auch für uns, was für Israel gilt: Wir sollen dieser Berufung entsprechen. Es gibt auch für uns nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten. Und genau da stellt sich heute, am 10. Sonntag nach Trinitatis, am sog. „Israelsonntag“, die Frage: Machen wir es besser als Israel, oder geht es uns ganz ähnlich?
Ich sage es mal so: Es verhält sich ganz ähnlich! Auf der einen Seite werden wir Christen der Berufung Gottes gerecht, durchaus! Wir breiten die Heilsbotschaft Gottes mit Wort und Tat in alle Welt aus! Das diakonische Handeln bleibt im Raum der Kirche unvergleichlich! Die großzügigen Spenden der letzten Wochen allein aus den Reihen der Martini-Gemeinde für Südafrika oder für die Opfer des Hochwassers sind umwerfend! Ohne die kirchliche Diakonie wäre das soziale Handeln in unserer Gesellschaft deutlich ärmer.
Aber auch bei uns Christen gibt es eben die andere Seite: Die Weisungen der Liebe Gottes werden vergessen. Geistliche Vollmacht und weltliche Macht werden in unheilvoller Weise vermischt. Schmerzhaft der oft lieblose Umgang mit Israel. Die List ist lang…
Und somit das Ergebnis: Auch wir scheitern an dieser Aufgabe! Wir machen es nicht besser als Israel. Wir entsprechen nicht der Berufung. Und so bleiben auch wir auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Genau wie Israel auch.
Ihr Lieben, ob wir das hören wollen oder nicht – es wird leider in diesen Zeiten von vielen Leuten und Kirchen abgelehnt – auch für Israel führt an Christus als den Messias keinen Weg vorbei. Wir sind alle auf die Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus angewiesen. Wie wir das soeben in der Epistellesung gehört haben: Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.
Und so wird Gott zum Jäger des verlorenen Schatzes! Für uns alle – Juden und Heiden – nimmt er alles auf sich, damit wir errettet werden. Als Christen können und sollten wir nicht erzwingen wollen, dass Israel das auch so sieht. Aber wir sollen für Israel beten und wir sollen Zeugen dafür sein, was der Messias Jesus Christus für uns getan hat. Und wir dürfen dankbar sein, dass der Jäger uns, die wir verloren waren, gefunden hat! Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN.
Pastor Roland C. Johannes,
August 2021