Und am Abend setzte Jesus sich zu Tisch mit den Zwölfen. Und als sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, jeder einzeln zu ihm zu sagen: Herr, bin ich’s? Er antwortete und sprach: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten. Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Bin ich’s, Rabbi? Er sprach zu ihm: Du sagst es.
Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Liebe Gemeinde,
besonders heute finde ich es ausdrücklich schwer auf das Abendmahl zu verzichten. Gerade weil wir davon lesen und hören, wie das damals war an diesem Abend. Diese lange Zeit schon ohne, die zieht mich hinein in diese Gemeinschaft und meine Sehnsucht wächst.
Aber mit der Sehnsucht wächst auch die Vorfreude. Die Vorfreude auf diesen Festtag, wenn wir wieder zusammen hier vorne am Altar stehen und Knien und diese innige und intensive Gemeinschaft erleben werden. So, wie es als Kind war, als wir sehnsüchtig auf den Weihnachtsabend gewartet haben, so warte ich auch heute auf das große Abendmahl mit euch.
Bis dahin müssen wir uns allerdings noch in Geduld üben und haben die Gelegenheit neu hinzuschauen und neu hinzuhören in diese so bekannten Texte.
Und heute möchte ich das auch mithilfe des Bildes auf der Postkarte tun, die ihr am Eingang erhalten habt. Aber dazu kommen wir gleich ;-) 😉
Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot…
Ihr Lieben, so beginnen die Einsetzungsworte in der Liturgie des Heiligen Abendmahls. Bei jeder Abendmahlsfeier werden sie gesprochen oder gesungen. Ist euch eigentlich einmal aufgefallen, womit es losgeht? „…in der Nacht, da er verraten ward…“ Damit erinnert jede Abendmahlsfeier zuallererst an den Verrat, daran, dass Jesus verraten und ausgeliefert wurde.
Genau das steht als Überschrift über diesen Abend, bevor unser Herr das heilige Mahl zum ersten Mal gefeiert und eingesetzt hat. Erschreckend daran ist: Jeder der Anwesenden, jeder Einzelne fragt erschrocken:
Herr, bin ich’s?
Doch nicht etwa ich, Herr? Für keinen der zwölf Jünger ist es völlig außer Denkweite, dass nicht auch er Jesus verraten könnte. Erschreckend ist auch: Wenn wir weiterlesen, nach dem Passamahl, nach dem Abendmahl, als sie den Lobgesang gesungen hatten, fängt Jesus an und bescheinigt seinen Jüngern: Ihr alle werdet euch an mir ärgern, ihr werdet euch zerstreuen. Dem Petrus sagt er es auf den Kopf zu:
Wahrlich, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. (Matthäus 26,34)
Ihr Lieben, was ist das für eine bedrohliche Situation: alle seine Freunde könnten zu seinen Verrätern werden, und alle werden ihn verlassen.
Und wenn ich das so bedenke, dann merke ich schnell, auch ich stehe in derselben Gefahr. Überlegt einmal. Da ist Judas, der Jesus auslieferte. Da ist der so vorlaute Petrus, der Fels auf dem Jesus seine Gemeinde bauen will, der dann dreimal leugnete, ihn zu kennen. Und alle anderen der Jüngerrunde halten es für möglich, dass sie es sind, die Jesus verraten. Da kann und muss ich mich einreihen, wenn sich selbst diejenigen, die ihm so nah, so verbunden waren, hinterfragen.
Und was tut Jesus im Kreis seiner Freunde, seiner so unzuverlässigen Freunde?
Er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
Und jetzt nehmt einmal das Bild in die Hand.
Das Bild ist von Schwester Christamaria Schröter für einen Orden entworfen. Es ist Teil eines Wandbehangs in einem Ordenshaus der Communität Bruderschaft in Selbitz und befindet sich in einem Raum, in dem das Abendmahl gefeiert wird.
Die Personen, die da am Tisch sitzen, könnten wegen der Zahl 12 die Jünger sein. Und ist das vielleicht Judas, der in grau gekleidet ganz außen links sitzt?
Er ist der Einzige, der sich nicht dicht in die schützende Umarmung drängt. Stattdessen sieht man seine eigene Hand, die auf dem Tisch liegt. Sie ist gebeugt. Zählt er etwas in ihr? Überlegt er, ob es das wert ist? Trotzdem erscheint er nicht als der gänzlich Verstoßene, denn die schützende Hand ist ihm sehr nahe.
Perspektivwechsel. Jesus erscheint auf den ersten Blick als der Stehende, der Machtvolle, der Beschützende. Die um den Tisch Sitzenden hingegen scheinen klein, auf ihn angewiesen
Bei genauerem Hinsehen drängt sich eine andere Assoziation auf: Jesus am Kreuz. Der zur Seite geneigte Kopf ist der des schmerzerfüllten Christus am Kreuz, wie er oft dargestellt ist.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch den schwarzen Balken auf der, linken Seite Jesu. So führt schon heute Abend der Blick über das Abendmahl hinaus und lässt uns schon an Karfreitag denken.
Ein weiterer Perspektivwechsel. Jesus ist nicht mehr vertikal dargestellt, er steht uns als Betrachter nicht mehr gegenüber. Es sieht so aus, als würde Jesus liegen. Mit einem Mal sehen wir, er liegt neben dem Brot auf dem Tisch. Um ihn sitzen die Menschen. Versammelt und eng aneinandergerückt.
Er scheint ihnen immer noch nahe zu sein, er wirkt freundlich, liebend. Der Kopf ist geneigt, um sie auch liegend noch sehen zu können. Die Arme ausgestreckt, um sie noch näher an sich zu drücken.
Damit verbindet sich für mich der Gedanke an den gestorbenen Jesus. Ratlos, hilflos sind die Jünger bei seinem Tod. Doch sie sind nicht verlassen. Die schützenden Hände halten sie noch immer, über den Tod hinaus, in das ewige Leben.
Brot und Wein ragen aus seinem Körper hinaus und verdeutlichen das, was wir glauben. Im Mahl am Tisch des Herrn sind es sein Leib und sein Blut uns zu essen gegeben zur Vergebung aller unserer Sünden und zum Empfang des ewigen Lebens.
Und im Hintergrund? Da sehen wir einen wunderschönen blauen Sternenhimmel, der symbolisieren könnte: Jesus ist auferstanden.
Es fällt auf, dass manche der Menschen alt zu sein scheinen. Sie haben graues Haar. Bei manchen ist das Haar auch schon weiß. Frauen sind mit dabei. Eine bunte Mischung alt und Jung, Männer und Frauen. Vielleicht du und ich?
Ihr Lieben auch uns gilt ein Platz an diesem Tisch. Ein Platz in der Gemeinschaft mit denen, die das Mahl mit ihm feiern. Jesus stiftet eine Gemeinschaft, die mit dem Tod nicht endet. Weder mit seinem, noch mit unserem.
Wie sehr freue ich mich doch schon auf diesen Festtag, wenn wir wieder beieinander sein können hier vorne, gemeinsam am Tisch unseres Herrn. Das wird wundervoll. AMEN.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. AMEN.
Pastor Florian Reinecke,
April 2021