Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!
Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
Und er ließ >sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals deselben Worte. Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.
Liebe Gemeinde,
in der Passionszeit widmen wir uns einer Predigtreihe zu der Frage Wo ist Gott?
Vor zwei Wochen hat Pastor Johannes die Reihe gestartet und uns mitgenommen zu dieser Frage, die ja immer wieder höchste Dringlichkeit gewinnt. Dabei konnten wir Gott entdecken und haben gesehen, wie er auf einem Esel nach Jerusalem hineinreitet und nicht auf einem Streitross.
Wo ist Gott? Heute finden wir ihn auf seinen Knien wieder. Da kniet er im Garten Gethsemane und betet zu Gott, zu seinem und unserem Vater im Himmel.
Auf den Knien rutschen und zu Gott beten in tiefster Unruhe. Ihn anzurufen in großer Not und schwerem Leid oder wenn wir in Schwierigkeiten geraten sind. So finden wir uns wieder. Und wir beten: Was passiert hier mit mir? Womit habe ich das verdienst? Gott, mach, dass es aufhört. Tu doch bitte irgendetwas!
Und vielleicht ergänzen wir das noch um Vorschläge, was er tun könnte, um unsere Not zu lindern, um uns herauszuholen aus dem, was uns gerade gefangen nimmt.
Und wir tun das, weil wir Gott kennen. Wir wissen, dass er nicht bloß der ferne Schöpfer und Weltenlenker ist, der Allmächtige König auf seinem Thron. Nein, er ist auch unser Vater und unsere Mutter. Er hat seine Liebe längst erwiesen und wir sind gewiss, dass er das Gute für uns will. Er hat versprochen für uns zu sorgen und uns zu behüten.
Und was finden wir hier vor? Jesus, den Sohn Gottes, wie er seinem und unserem Vater in den Ohren liegt. Voller Last. Voller Bedrängnis. Voller Not und zugleich völlig hingebungsvoll, weil er weiß, dass dieser Weg bis ans Kreuz im Wortsinn Notwendig ist.
Notwendig, weil die Menschen sich immer wieder von Gott entfernen und die Sünde seinem Willen vorziehen. Notwendig, weil diese Trennung, die wir auch heute immer wieder produzieren uns in tiefste Nöte bringt, aus denen heraus der Tod am Kreuz hilft, weil er Versöhnung schafft.
So sehen wir heute Jesus, wie er im Garten kniet und zu Gott betet voller Schmerz und Leid. Es ist grausam mit anzusehen, aber es war Gottes Wille und sein Plan, was am folgenden Tag geschehen wird und Jesus gibt sich in seine Hände und spricht die schwerste Bitte, die man nur sprechen kann. Dein Wille geschehe.
Diese Bitte hat er übrigens auch seine Jünger zu beten gelehrt, als sie ihn darum gebeten haben. Sie ist Teil des Vaterunsers und somit auch Teil unserer regelmäßigen Gebete. Wir beten mit seinen Worten, so wie er es auch uns gelehrt hat, so wie er selbst gebetet hat.
Wo ist Gott? Auf Knien ist er zu finden, betend mit und für uns. Er betet für uns und stellt uns seine Worte zur Verfügung, wo wir keine Worte mehr zu beten wissen. Ist stark, wo wir schwach sind, ist voller Zuversicht, wo wir völlig hoffnungslos sind und geht als Unschuldiger sehenden Auges in den Tod für unsere Schuld.
Ich schließe diese Predigt heute nicht mit eigenen Worten, sondern mit einem Gedicht des deutschen Dichters Hermann Enke aus dem Jahr 1954 über die wohl schwerste Bitte des Vaterunsers.
„Dein Wille geschehe!“ So sprach ich auch gern,
als Not und Trübsal und Sorge fern.
Dann kamen Stunden, so bang und so schwer,
da wollt es kaum über die Lippen, o Herr.
Wenn das Herze blutet, die Seele weint,
wenn der helle Tag uns wie Nacht erscheint,
dann, dann ist es so unsagbar schwer,
zu sprechen: „Dein Wille geschehe, o Herr!“
Dann möchte ich rufen: „Herr, muss es denn sein?
Nur das nicht, nur das nicht, o Vater mein!“
Und das Herze sträubt sich, den Weg zu gehn;
es kann den Allmächtigen nicht verstehen,
und es ruft wohl in all dem Schmerz und der Pein:
„Mein Gott! Mein Gott! Soll das Liebe sein?“
Und wieder und wieder: „O Vater, vergib,
vergib meine Zweifel, Du hast mich doch lieb;“
verzehrt sich mein Herz auch in Weh und Pein,
muss dennoch Dein Weg der rechte sein.Dein Wille geschieht zwar, wenn ich’s auch nicht will,
doch macht dieses Wissen das Herz mir nicht still.
Herr, lehr Du mich rufen von Herzensgrund,
dass ich sprech‘ mit dem Herzen, nicht nur mit dem Mund:
„Dein Wille geschehe! Nicht wie ich will!“
Nur so wird es in mir allmählich still.
Herr, wende mein Herz ganz ab von der Welt,
und führe Du mich, wie Dir es gefällt.
Sind rau auch die Wege und Dornenvoll,
ich weiß, Du führest mich dennoch wohl.
Dies soll meine tägliche Bitte sein:
„Dass ich nichts mehr begehre, als Dich, Herr allein.“
Dein Wille gescheh‘, wenn die Sonne lacht,
Dein Wille gescheh‘ in Trübsalsnacht,
Dein Wille gescheh‘ jetzt und ewiglich,
so nimm Herz und Hände und führe mich!
Wenn ich auch das Ziel deiner Wege nicht seh‘,
Du führst mich doch wohl, Herr, Dein Wille gescheh‘!Pastor Florian Reinecke,
März 2021