Die Predigt basiert auf dem Evangelium nach Lukas 2,1-21 und Matthäus 2,1-2
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.
Vor kurzem bekamen wir per Handy zwei Fotos von einem Baby zugesandt: wohl verpackt, ein Mützchen auf dem Kopf, die Augen geschlossen, der Mund schmal, das Gesicht etwas derangiert. Offensichtlich ein Neugeborenes! Aber, wessen Kind war es, wer seine Eltern? Die seitlich zugefügten Daten gaben Klarheit, jetzt konnte man es zuordnen.
Was sehen die Hirten? Sie sehen einen Säugling in einer Futterkrippe, im Umfeld von Viehhirten wohl nichts Ungewöhnliches. Aber ungewöhnlich ist, dass ihnen diese kleine Familie fremd ist, nicht ortsansässig. Sie finden sie in einer Karawanserei, einem Ausspann, wenn man die Bezeichnung Herberge wörtlich nimmt. Also ein Ort, an dem man sein Zugtier ausspannen kann, von Deichsel und Geschirr befreit, oder von einem Tragtier Sattel und Lasten hebt. Ein Ort, wo auch die Menschen nach beschwerlicher Reise ausspannen können. An diesem Tag aber war die Herberge überfüllt, für die hochschwangere Frau und ihren Mann gab es nur noch einen Unterschlupf in einem Nebengebäude, einem Stall.
Die Hirten kamen allerdings, wie gesagt, mit einem Vorwissen dorthin. Eine Engelsbotschaft war ihnen zuteil geworden: Siehe, ich verkündige euch große Freude …, denn euch ist heute der Heiland, der Retter, geboren, und zwar in der Stadt Davids. Motiviert, sich gegenseitig aufmunternd sagen sie zueinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist.
Ein so kleines und schwaches Kind wird als Heiland und Retter bezeichnet, etwas geradezu Widersinniges! Außerdem war es damals eine Majestätsbeleidigung, könnte als Verspottung verstanden werden. Denn Heiland bzw. Retter war ein Ehrentitel, allein dem Kaisers in Rom vorbehalten. Das war zu der Zeit der Kaiser Augustus, zu Deutsch: Der Erhabene! Mit diesem Kaiser – so die Meinung – war man in ein Goldenes Zeitalter eingetaucht, in eine besonders günstige Phase der Geschichte, in eine Gnadenzeit. Und nun dieses Kind in Bethlehem? Die Hirten jedoch, sie begnügen sich nicht mit der äußeren Wahrnehmung, nein, sie sehen tiefer. Sie erkennen vielmehr, der Botschaft vertrauend: In ihm ist Gott selbst gegenwärtig. Gott fängt ganz unten an, kein Mensch könnte noch tiefer beginnen als er.
Dreißig Jahre später ist der Jünger Philippus von der Begegnung mit Jesus so aufgewühlt, dass er davon unbedingt einem Mann namens Nathanael berichten muss (Joh 1,45-51): Wir haben den Messias gefunden, sagt er, den Weltenkönig, auf den unser Herz seit Urzeiten gewartet hat, den Friedefürst, der, der endlich unsere Sehnsucht erfüllt. Nathanael aber zögert, ist skeptisch, bis Philippus schließlich sagt: Komm und sieh! Du musst ihn kennenlernen, sehen, wie er ist, sich verhält, in welcher Weise er mit Menschen wie mit Gott umgeht. Du musst erfahren, wie wohltuend und heilsam seine Worte sind.
Sind ein junger Mann und eine junge Frau aneinander interessiert, dann genügt nicht ein flüchtiges Hinsehen, sondern dann wollen sie das Wesen des Gegenübers kennenlernen, es erkunden, um den bisherigen Weg des anderen wissen, damit sich Vertrauen entwickeln kann. So sagen es auch die Hirten: Wir wollen die Geschichte sehen, die da geschehen ist. Möchten wir das auch? Zu ihm gehen, mit ihm gehen? Vielleicht ganz neu? Oder auch den Weg einfach mit ihm fortsetzten, den wir schon früher eingeschlagen haben?
Die Hirten sind die ersten Gratulanten bei dem Neugeborenen. Gratuliert man, so bringt man ein Geschenk mit. Aber sie? Sie kommen mit leeren Händen, waren doch von der Botschaft völlig überrascht, machten sich unvorbereitet auf den nächtlichen Weg. Was nur sollten sie ihm bringen? Es blieb nur eins: ihr Herz! Ja, das konnten sie ihm schenken. Und das Wunder, das dann geschah, war, dass sie selbst zu Beschenkten wurden. Als so Beschenkte traten sie den Rückweg an, heißt es doch: Sie priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten. Auf diese Weise erfüllt und bewegt, nehmen sie ihren Lebensgang wieder auf.
Dann aber taucht da noch eine zweite Gruppe von Gratulanten auf, die Weisen aus dem Morgenland, volkstümlich Die Hl. Drei Könige genannt. Der sagenumwobene Orient ist ihre Heimat, sie gelten als reich. Reich, weil ihr Zuhause ein Hort reicher Kultur ist, reich an Wissen, wurde doch dort die Schrift entwickelt, genauso die Mathematik und Sternenkunde, die Kunst und Architektur, auch eine üppig begangene Religiosität gepflegt. Von da her also kommen die Weisen und bringen exotische Geschenke mit, Weihrauch, Myrrhe und Gold.
Weihrauch war z.B. dazu da, um unangenehme Gerüche vertreiben. Deswegen gingen dem römischen Kaiser Diener voran und schwenkten Weihrauchgefäße, um seine Nase vor dem Muff enger Gassen und beißender Armut zu schützen. In Israel hingegen war der Weihrauch Symbol für das immerwährende zu Gott aufsteigende Gebet, darum unterhielt man auch im Tempel einen ständig aktiven Rauchaltar. Die Männer bringen also mit dem Weihrauch Jesus göttliche Ehre entgegen, beten ihn an. Die Myrrhe, feines, kostbares Salböl, war hingegen eine willkommene Gabe zum Wohlbefinden von Mutter und Kind, ansonsten verwendete man es auch zur Salbung Verstorbener, um den Geruch des Todes zu verschleiern, unserer menschlichen Vergänglichkeit. Gold erklärt sich selbst. Bringt man es zu Jesus, so heißt es nichts anderes, als dass das Beste gerade gut genug für ihn ist. Alles bündelnd sagen uns diese Geschenke: Dir, Jesus, gehört alle Ehre, dir gehört unser Gebet und du gibst uns das Leben, todüberwindendes Leben, du bist der Größte.
Zwei konträre Gruppen stehen uns also vor Augen: die einen sind arme Schlucker, ganz aus der Nähe, die anderen jedoch sind reiche Menschen, aus der Ferne, welterfahren. Beide aber tun auf je ihre Weise dasselbe. Einerseits ist es die Weisheit, die sich vor Jesus beugt, das andere Mal ist es das hartgesottene und praktische Leben, das vor ihm auf die Knie geht. Was tun wir? – Vor dem Krippenkind, dem Königs- und dem Gottessohn?
Amen
Pfr. i. R. Hermann Lutschewitz,
Dezember 2020
- Dieser Gottesdienst fand nicht statt, da der Oberbergische Kreis am Tag davor, also am 23. Dezember, alle Gottesdienste in seinem Zuständigkeitsbereich untersagt hatte.