Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist;
Jesaja 40
Liebe Gemeinde,
Die Israeliten befinden sich im babylonischen Exil. Und sie sind dabei in einer wahrlich trostlosen Situation: Ihre heilige Stadt Jerusalem war zerstört; sie hatten ihre Heimat verloren, ja mehr noch: der Tempel war zerstört. Sie hatten damit den Ort verloren, an dem sie Gott selber begegnen und seine Nähe erfahren konnten.
Die Geschichte Gottes mit seinem Volk scheint an ihr Ende gekommen zu sein; Israel war nun anscheinend nicht mehr Gottes Volk – und wie es mit ihnen in der Zukunft weitergehen sollte, war unklar. Sie wussten, dass diese Verschleppung ins Exil nicht einfach bloß ein unbegreiflicher Schicksalsschlag war. Nein, sie wussten, dass dies ein Strafgericht Gottes war. Ein Strafgericht, das sie mit ihrer Abwendung von Gott und mit ihrer Sünde verdient hatten. Und nun sitzen sie da in Babylon – und Gott schweigt.
Aber nun werden wir in unserer heutigen Predigtlesung Zeugen eines atemberaubenden Geschehens: Gott kann sich nicht länger zurückhalten! Er kann nicht länger schweigen! Er, der Israel so hart gestraft hatte, kann nicht länger zusehen, wie es dort in Babylon in Trostlosigkeit versinkt. Und so erleben wir hier nun mit, wie Gott tröstet. Wie Gott auf eine Art und Weise tröstet, in der tatsächlich nur er trösten kann:
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.“
Habt ihr es bemerkt: „Mein Volk“ nennt er sie, die verstreuten Israeliten im Exil. Mein Volk. Gott hat sie nicht aufgegeben. Gott hat den Bund mit ihnen doch nicht aufgekündigt. Er hat sie nicht verlassen. Sie bleiben - trotz aller Untreue - sein Volk, das er so unendlich liebt.
Und: er vergibt. Gott tröstet indem er vergibt! Die Schuld, die Israel zur Last wurde, die Schuld, die der Grund war, dass sie sich in Babylon befanden, diese Schuld wird beseitigt. Das, was das Volk von Gott trennt wird aufgehoben. Gott wendet sich seinem Volk zu und sagt: Dir sind deine Sünden vergeben!
„Prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.“
Es geht aber noch weiter. Es bleibt nicht dabei: Gott tröstet nicht aus der Distanz, sondern wenn Gott wirklich tröstet, dann rückt er persönlich an! „In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg.“ Gott will nicht bloß die Israeliten in Babylon besuchen, um ihnen Trost zuzusprechen, sondern er will ihnen einen Weg bereiten, mitten durch die Wüste zurück in die Heimat, zurück nach Jerusalem. Gott tröstet indem er handelt! Gott kommt in seine Stadt zurück: „Siehe, da ist euer Gott!“ Das ist ein überwältigender, geradezu mitreißender Trost, an dem wir heute Morgen hier Anteil nehmen dürfen!
Wie sieht es da mit uns aus? Wir befinden uns zwar nicht im Exil. Aber irgendwie kommt mir diese denkwürdige Zeit, diese Krise, die wir miteinander durchmachen, schon als eine Art Entfremdung, eine Verbannung vor. Wir müssen auf manches verzichten. Es gibt viele Ungewissheiten. Keiner weiß, wie es ausgehen wird. Die Gesundheit ist gefährdet, Existenzen bedroht, die Seelen belastet. Wir sehnen uns nach Trost, nach Sicherheit, nach Hoffnung.
Ihr Lieben, Gott tröstet auch uns. Diese Worte, die der Prophet Jesaja vor knapp 3000 Jahren den Israeliten im Exil schreibt, die schreibt er auch uns.
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.“
Ich möchte heute morgen drei Aspekte vor Augen führen. Drei Art und Weisen, wie Gott uns tröstet, hier und jetzt:
I. Er vergibt unsere Schuld!
Gott tröstet uns, indem er unsere Schuld vergibt – auch heute noch! Es ist eine schlimme Erfahrung, wenn wir an jemanden schuldig werden. Wir versuchen es wieder in Ordnung zu bringen, doch der Betroffene schweigt, reagiert nicht, lässt uns einfach so in der Luft zappeln. Schlimm ist das, wenn so etwas unter Menschen geschieht.
Doch wie schlimm wäre es erst, wenn Gott so mit uns umgehen würde. Wenn er uns so in der Luft hängen lassen würde und wir nicht wissen könnten, wie er eigentlich zu uns steht.
Wie wunderbar stellt sich uns Gott hier durch seinen Propheten vor: Gott schweigt nicht länger, er lässt sein Volk nicht zappeln, lässt es nicht im Ungewissen.
„Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.“
So tröstet Gott sein Volk, dass er es klar und eindeutig, ohne Wenn und Aber wissen lässt, wie er zu ihm steht. Dass er es zusagt: Dir sind deine Sünden vergeben. Endgültig, ein für allemal!
Genau um diesen Trost geht es auch bei uns in jedem Gottesdienst. Wenn wir vor Gott unsere Sünden bekennen, unser Versagen, unseren Kleinglauben, unseren Zweifel, unsere Lieblosigkeit, unser Kreisen um uns selbst, all das, wofür wir mit Recht Gottes Zorn verdient haben. Und dann lässt uns Gott nicht im Ungewissen, sondern er sagt uns zu: Dir sind deine Sünden vergeben! Was gewesen ist, ist vorbei, endgültig vorbei, wird dich niemals mehr von mir trennen können.
II. Gott überwindet unsere Vergänglichkeit!
Nun ist hier in unserem Predigttext eben nicht bloß von unserer Schuld, sondern auch von unserer Vergänglichkeit die Rede.
„Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt.“
Eigentlich ist auch die Botschaft von der Vergänglichkeit eine Botschaft, die die Israeliten trösten soll: Ihr denkt, die Weltmacht Babylon ist so groß und stark; die wird ewig herrschen? O nein, Gras ist sie, und all ihre üppige Kraft gleicht doch einer Blume auf dem Feld. Es wird nicht lange dauern, dann wird von dieser ganzen Prachtentfaltung nichts mehr übrig bleiben.
Alles Fleisch ist Gras, und all seine üppige Kraft wie eine Blume auf dem Felde – das kann auch für uns ein gewisser Trost sein! Die Probleme, die sich da vor dir auftürmen und so unüberwindlich erscheinen – Sie sind Gras, sie sind nicht ewig, sie werden dich nicht für immer bestimmen können. Die Menschen, die dir das Leben so schwer machen, vor denen du dich vielleicht gar fürchtest – sie sind Gras, sie sind nicht ewig, sie werden vergehen, werden sich auch einmal vor Gott verantworten müssen. Auch dieses Virus ist wie Gras – es wird irgendwann auch nicht mehr sein.
Aber vergänglich sind eben nicht bloß die anderen, vergänglich sind nicht nur unsere Probleme, vergänglich wie Gras sind eben auch wir selber.
Aber: nicht alles ist vergänglich. Was bleibt, ist Gottes Wort. Das vergeht nicht. Das verändert sich auch nicht. Das hat kein Haltbarkeitsdatum, nach dem es irgendwann einmal überholt sein wird. Nein, was Gott gesprochen hat, das bleibt, auch im Angesicht des Todes. Und wen Gott mit seinem Wort anspricht, wem er in seinem Wort ein Versprechen gegeben hat, der bleibt auch! Der bleibt auch in Ewigkeit, wie das Wort, das er gehört und aufgenommen hat. Du brauchst nicht ohne tragfähigen Trost zu bleiben angesichts deiner Vergänglichkeit. Was Gott dir zusagt, bleibt ewig.
III. Gott führt uns zum Ziel!
Schauen wir, wie Gott mit seinem Volk am Ziel, in Jerusalem ankommt! Jesaja beschreibt das so: Wie ein Hirte seine Schafe vor sich herlaufen lässt, so geht Gott hinter seinem Volk her und führt es so zu seinem Ziel. Und die, die nicht mehr laufen können, die zu schwach sind oder zu klein, die nimmt er auf den Arm, die trägt er im Bausch seines Gewandes (ihr kennt alle die schönen Bilder dazu aus unseren Kinderbibeln!). Darum geht der Hirte am Schluss, um die einzusammeln, die es nicht mehr allein schaffen.
Ihr Lieben, schaut euch diesen Hirten an, wie ihn der Prophet uns heute morgen vor Augen stellt: Es ist dein Herr Jesus Christus, dein guter Hirte! Er, der sein Leben für die Schafe hingibt in den Tod. So, in der Gestalt dieses guten Hirten kommt Gott der Herr zu seinem Volk. Als einer, dem die Trostlosigkeit seines Volkes das Herz zerreißt. „Siehe, da ist euer Gott!“
Da kannst du ihn finden, wenn du Trost suchst, da kannst du ihn finden, wenn du merkst, wie dir die Knie weich werden, wenn du merkst, dass du es einfach nicht mehr packst in deinem Leben. Lass dich einfach von ihm tragen, von ihm aufsammeln. Er hat es dir doch versprochen: ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht!
Wie gesagt, wir leben nicht im Exil. Aber uns geht es grad auch nicht sonderlich gut. Wie schön, dass wir diesen Trost vor Augen haben. Wie schön, dass wir befähigt sind, besonders in diesen Tagen andere zu trösten, selber Freudenbote für andere zu werden!
Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Dezember 2020