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Predigt zum 19. Sonntag nach Trinitatis

veröffentlicht am: 18.10.2020 by at https://selk-radevormwald.de/posts/20201018-predigt/

Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

Römer 14, 17-19

Liebe Gemeinde,

Das Reich Gottes und das Leben in christlicher Gemeinde ist nicht Friede, Freude, Eierkuchen, wie wir uns das vielleicht wünschen würden, sondern immer wieder einmal wird heftig diskutiert und auch gestritten.

So war das auch damals in Rom. In der Gemeinde hatten sie einen Streit. So, wie es in allen Gemeinden, von denen wir im Neuen Testament lesen, auch Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten gab und so, wie es das vermutlich auch heute in jeder christlichen Gemeinde gibt. Da gibt es manche, die bleiben standhaft bei ihrer Überzeugung und andere, die sind sich sicher, dass sie Recht haben. Die Fronten sind verhärtet. So war das eben auch in Rom.

Die Streitfrage in der römischen Gemeinde war das Essen. Man konnte sich damals nicht sicher sein, ob das Fleisch, das man auf dem Markt kaufte, nicht schon heidnischen Götzen geopfert wurde. Deshalb sagten die einen: ‚Finger weg, damit wollen wir nichts zu tun haben.‘ Andere sagten: ‚Was kümmert es mich, was ich nicht genau weiß, ich esse, was Gott mir gibt.‘ Und schon gab es einen Riss in der Gemeinde.

Im Prinzip wussten alle: Ob man das Fleisch nun isst oder nicht, daran hängt das Seelenheil nicht. Es wussten auch alle, dass es für beide Seiten gute Gründe gibt. Das Problem aber war der Riss, der entstand, weil beide Seiten nicht von ihrer Meinung abwichen.

Wir führen heute andere Auseinandersetzungen. Das Problem aber ist das Gleiche: Risse. Ich bekomme das gerade in diesen Wochen und Monaten mehr und mehr mit, dass an den Überlegungen und Entscheidungen bezüglich der Corona-Pandemie viele Menschen in Streit geraten. Nicht nur politisch, sondern auch ganz persönlich und im Privaten. Es wird heftig diskutiert und schneller als die Beteiligten es wollen, gibt es Risse. Da werden Einzelne verletzt und andere verlieren die Achtung voreinander und reden dann auch schlecht voneinander.

Auch unter uns kann das schneller gehen als wir uns das wünschen. Wir finden immer neue Meinungsverschiedenheiten, vor allem auch, weil wir so wunderbar verschieden sind und deshalb auch verschieden auf die Dinge schauen und von unterschiedlichen Dingen überzeugt sind.

Und da, wo wir einander nicht achten und stehen lassen und annehmen in unseren unterschiedlichen Ansichten, wo wir mit Worten und Überzeugungen wie richtig und falsch, besser und schlechter streiten, da entstehen Risse. Risse, die die lebendige Gemeinschaft lähmen und ihr die Kraft nehmen, weil sie oft auch spalten.

An einem solchen Riss, der durch die Gemeinde geht, da verweist Paulus auf das Reich Gottes. Da, wo die Gemeinde in Rom mit der Frage beschäftigt ist: Fleisch oder kein Fleisch heute? Was ist denn nun richtig? Was ist falsch? Da beginnt Paulus vom Reich Gottes zu reden. Ein wenig weltfremd scheint er in diesem Moment zu sein. Jetzt geht es doch gerade um die aktuelle Streitfrage und er kommt mit einer Vertröstung auf das Reich, in dem es solche Fragen nicht mehr geben wird. So wird das Reich Gottes heute oft verstanden, als etwas Zukünftiges. Wir leben schließlich hier auf der Erde und noch nicht im Himmel. Ja das stimmt auch.

Aber die Christen damals haben bei dem Stichwort ‚Reich Gottes‘ sofort an Jesus gedacht. An den, der aus dem Himmel auf die Erde kam und ausrief: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Eine Ansage, die es in sich hat.

Es ist wie eine Regierungserklärung, die alles überholt, was wir vom Reich Gottes gedacht haben. Das Reich Gottes ist kein Thema erst für das Leben nach dem Leben. Das Reich Gottes gehört auch nicht in eine andere Welt. Jesus hat es anders gesagt: Das Reich Gottes ist herbeigekommen. Es ist nahegerückt, es ist uns auf die Pelle gerückt.

Natürlich blicken wir uns suchend um und fragen, wo ist es denn? So, wie wir nach dem letzten Glas eingemachten Bohnen suchen, das im Keller noch irgendwo stehen muss und es nicht finden können, bis wir feststellen, dass es doch nicht mehr im Keller, sondern schon in der Speisekammer steht. Wir haben einfach an der falschen Stelle gesucht und darum auch nicht finden können.

So haben im Laufe der Zeit auch viele Menschen nach dem Reich Gottes gesucht und gesucht und waren dann überzeugt, dass Jesus sich geirrt haben muss, von einem nahen Reich Gottes ist schließlich nichts zu sehen. Wenn Jesus allerdings vom Reich Gottes spricht, dann meint er sich selbst. In ihm ist das Reich Gottes auf die Erde gekommen, in seiner Person ist es sogar anfassbar geworden. Jesus sagt: Da wo ich bin, da ist das Reich Gottes. Darum ist es nicht weit weg, nicht irgendwo in der Zukunft versteckt, sondern es ist schon da, wo Jesus ist. Bis heute ist das so. Gottes Reich ist schon da. Seine Herrschaft ist angebrochen.

So schreibt Paulus den Römern: Ihr schaut oft an die falschen Stellen. Wenn sich bei euch alles um Essen und Trinken dreht, um Uhrzeiten, Dekorationen oder Arbeitsdienste, um Coronaschutzverordnungen, Vakanzen und Politik dreht, dann gebt ihr den zweitrangigen Fragen zu viel Gewicht.

Das Reich Gottes hängt nicht daran, welche Antependien an Altar und Kanzel hängen, sondern es hängt an dem, der über dem Altar am Kreuz hängt. Bohrt euch nicht fest an diesen Fragen. Redet darüber, fragt, tauscht euch aus, diskutiert und entscheidet, aber lasst keinen Riss zwischen euch entstehen.

Nicht Friede Freude, Eierkuchen, sondern Friede, Freude und Gerechtigkeit. Weil das Reich Gottes nicht in irgendwelchen Meinungen, Ansichten und Geschmacksfragen besteht, weil es nicht besteht in dem, was wir meinen und tun, sondern in dem, was Gott schon längst getan hat.

Er hat die Gerechtigkeit aufgerichtet zwischen ihm und uns. Gott und wir, wir waren geschiedene Leute. Es gab einen tiefen Riss. Aber er hat sich mit der Trennung nicht abgefunden, er ist in den Riss hineingetreten, er hat uns unsere Schuld an dem Riss, den die Bibel Sünde nennt vergeben und uns wieder mit sich versöhnt und Frieden gestiftet.

Wer je versucht hat, Zerstrittene zu versöhnen, der weiß, wie schwer das ist. Da werden Bedingungen gestellt, Vorleistungen und Garantien gefordert. Gott aber hat die Feindschaft, die wir Menschen aufgebaut hatten, auf seine Weise beendet. Er kommt zuerst wehr- und hilflos als Kind in diese Welt, wird zum Mann und geht bis ans Kreuz. Er hält die unbeirrbare Liebe zu uns Menschen bis zum Karfreitag und darüber hinaus durch in seinem Friedenswillen. Er macht uns, seine Feinde, zu seinen Freunden. Er lässt am Ostermorgen nach langer dunkler Nacht und Hoffnungslosigkeit die Sonne seiner Auferstehung für uns aufgehen.

Die Sonne, die mit ihren warmen Sonnenstrahlen unsere Tränen trocknet, die wir weinen, weil wir erkannt haben, dass wir ohne Gott verloren sind. Diese Sonnenstrahlen der Auferstehung lassen die Tränen weichen und zaubern ein Strahlen in unsere Gesichter. Da kommt die Freude wieder auf. Die Freude über unsere Rettung aus der Verlorenheit, die er uns schenkt.

Paulus reißt das, was ich hier etwas ausgeführt habe nur an. Er weiß, dass wir es wissen. Im Heiligen Geist haben wir Gerechtigkeit, Friede und Freude.

Ein paar Seiten vorher schreibt Paulus an die Römer, dass wir Christen Menschen sind, die der Geist Gottes treibt. Durch ihn sind wir Teil des Reiches Gottes. Darum soll alles das, was wir miteinander aushandeln, uns nicht trennen, nicht von Gott und nicht voneinander. Die Unterschiede unter uns mögen in manchen Fragen, menschlich betrachtet, erheblich sein.

Mancher fragt sich vielleicht, wenn er das so ansieht vielleicht auch: Was hält diesen bunten Haufen denn überhaupt zusammen? Im Reich Gottes aber, das schon in uns und unter uns hier und jetzt besteht, da fallen diese Unterschiede nicht ins Gewicht, weil ER so sehr ins Gewicht fällt, weil ER uns stärker verbindet als das, was uns trennt.

Darum hat Paulus den Römern auch nicht geschrieben, dass die einen Recht haben und die anderen Unrecht. Sondern er hat ihnen geschrieben: Lernt so miteinander umzugehen, dass die Unterschiede bleiben können und ihr euch trotzdem achten und annehmen könnt, so, dass keine Risse entstehen.

Das ist die Kunst. Bis heute. Christen sind Menschen, denen die Liebe über alles geht, weil sie von der Liebe Gottes gewonnen wurden. Erfüllt von dieser Liebe kann ich diese Liebe weitergeben.

Darum stehe ich auch mal zurück, anstatt Streit und Unfrieden zu riskieren. Darum lasse ich die in meinen Augen weniger gute Meinung zu. Bei Paulus heißt das: Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

Liebe Gemeinde, das Reich Gottes ist mitten unter uns. Es ist nicht Essen und Trinken, nicht Friede, Freude, Eierkuchen, sondern das Reich Gottes ist Friede, Freude und Gerechtigkeit. Bis in Ewigkeit. Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN.

Pastor Florian Reinecke,
Oktober 2020

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