Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert das Volk, denn sie haben nun drei Tage bei mir ausgeharrt und haben nichts zu essen.
Liebe Gemeinde,
ich war neulich unterwegs und hatte keine Zeit, vor der Abreise zu frühstücken. Im Laufe des Tages waren die Termine dann so eng getaktet, dass ich auch dort keine Zeit hatte, kurz etwas zu essen. Gegen 15:00 war ich platt. Man würde zwar meinen, dass ich etwas in Reserve hätte – aber ich konnte es nicht mehr aushalten! Mir war so schlecht, dass ich wiederum fast nichts essen mochte…
Durststrecken (oder in diesem Fall Hungerstrecken) sind nicht immer einfach. Ihr Lieben, ich rede hier nicht unbedingt nur davon, mal ein oder zwei Mahlzeiten zu verpassen. Ich meine ganz allgemein Durst- bzw. Hungerstrecken. Zeiten des Verzichts. Zeiten, in denen es nicht so läuft, wie man es gerne hätte. Zeiten der inneren und äußeren Not.
In Deutschland muss – Gott sei Dank – keiner hungern. (In meiner südafrikanischen Heimat sieht das schon ganz anders aus). Aber vielleicht erlebst du anderswo grad eine Durst- oder Hungerstrecke in deinem Leben: Vielleicht musst du gerade auf deine Gesundheit verzichten. Vielleicht fehlt dir gerade Liebe und Zuneigung. Vielleicht leidest du unter kaputten Beziehungen in der Familie oder im Freundeskreis. Vielleicht leidest du finanziell…
Wir hören heute morgen von der Speisung der 4000 (kurz zuvor, in Markus 6, sind’s 5000). Das sind viele Menschen! Und Jesus speist diese Menge quasi aus dem Nichts heraus. Sie hatten nur 7 Brote und einige Fische – doch das reicht für etwa 4000 Menschen. Ein Wunder!
Passend zum Erntedankfest, wo wir wieder einmal feststellen, wie reichlich wir von Gott gesegnet sind. Wie er uns immer wieder quasi aus dem Nichts heraus alles schenkt, was wir zum Leben nötig haben. Wie er Nahrung wachsen lässt, Regen schenkt, seinen Segen zu unserer Arbeit gibt.
Doch bleibe ich heute morgen – völlig unpassend zum Erntedankfest – bei den Durst- bzw. Hungerstrecken stecken.
Ist euch aufgefallen, was der Evangelist Markus hier zu Beginn der Geschichte beschreibt: Drei Tage lang waren die Menschen bei Jesus. Drei Tage lang – ohne Essen, ohne Verpflegung, in der Wüste. Ich habe gerade mal einen dreiviertel Tag mit Ach und Krach durchstehen müssen, die hier drei ganze Tage. 72 Stunden. Ich weiß nicht, wer von euch das schon mal durchmachen musste, so lange zu hungern. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie das sein muss.
Drei Tage lang müssen sie hungern. Man würde doch meinen, dass Jesus früher drauf kommen sollte, dass die Menschen Hunger haben, oder? Bei Jesus, da sollte man doch solch einen Verzicht nicht üben müssen? Er kann das doch alles einfach so quasi aus dem Ärmel schütteln – warum so lange damit warten? Gerade neulich hat er doch 5000 aus dem Nichts gesättigt, was dauert es jetzt so lange?
Ihr Lieben, Durst und Hungerstrecken gehören zum Leben dazu. Und manchmal lässt Gott das eben zu. Manchmal lässt er uns eine Weile lang (vielleicht drei Tage, vielleicht auch länger) mal Verzicht üben.
Aber: Jesus sieht deinen Durst. Er sieht deinen Hunger. Er sieht, worauf die gerade verzichten muss. Er sieht deine Not. Und er hat mit dir Erbarmen, wie damals mit den 4000! Die Durst- und Hungerstrecken werden irgendwann auf wundersame Weise enden!
Und Jesus beginnt bereits jetzt damit: Hier in seinem Wort, und gleich am Altar in seinem Heiligen Sakrament. Bereits jetzt vollbringt er vor unseren Augen ein Brotwunder – das genügen Nahrung hervorbringt und uns unendlich speisen kann, bis in die Ewigkeit hinein! Ein Brotwunder, das nicht nur über eine kurze Strecke von 4, 5 oder 6 Stunden sättigt, sondern für immer.
Ihr Lieben, in der Zeit des Verzichts (und dieses Leben ist wirklich geprägt von solchen Zeiten, von solchen Durst- bzw. Hungerstrecken), in dieser Zeit des Verzichts, die wir ja auch in gewisser Weise in dieser Corona-Krise miteinander durchmachen, da ist es gut, bei Jesus zu bleiben! In seiner Gegenwart. Bei seinem Wort und Sakrament. Da ist es gut, wenn wir die Hoffnung nicht verlieren. Wenn wir die Perspektive behalten, dass die Durst- und Hungerstrecke bald ein Ende hat. Und dass, egal was kommt und egal was passiert, Jesus da ist – ganz nah, ganz persönlich!
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
Oktober 2020