Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hin zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.
Liebe Gemeinde,
es ist gut, dass wir hier sind, um gemeinsam „Danke“ zu sagen!
Wir sind ja heute hier, um unter anderem auch „Danke“ zu sagen, oder? So, wie es sich für gute Christen gehört, die wissen, dass alles, was sie haben, von Gott kommt – „Leib und Leben, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne…. dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof…“ usw. usf. – Luther führt uns das im Kleinen Katechismus so schön vor Augen.
Wir wissen das ja! Wir wissen das, und darum sagen wir: „Danke, Gott!“
Wenn du aber jetzt dachtest, dass das so einfach ist, dann habe ich schlechte Nachricht für dich! Wenn du dachtest, dass du heute hergekommen bist, um mal eben kurz und schmerzlos „Danke“ zu sagen, um dann wieder in den gewohnten Alltag zurückzukehren, dann muss ich dich eines Besseren belehren. Wenn du denkst, dass es so einfach und unverbindlich ist, wie ein „like,“ ein „Daumen hoch“ bei Facebook, dann irrst du dich gewaltig.
Die Erzählung aus Lukas 17 - die Heilung der 10 Aussätzigen - die zeigt uns, dass tatsächlich viel mehr dazugehört. Klar, es geht natürlich erst einmal darum, ganz einfach „Danke“ zu sagen! Jesus zieht durch Samarien und Galiläa unterwegs nach Jerusalem, dort kommt er in ein Dorf, und eben diese 10 Aussätzigen – die ja schon gehört hatten, was dieser Jesus alles so kann – die rufen um Hilfe. Und Jesus erhört ihre Bitte und sie werden geheilt.
Vielleicht hast du das in deinem Leben auch schon mal erlebt: Du weißt, was dieser Jesus kann, und du rufst ihm zu: „Herr, erbarme dich meiner!“ Und er erbarmt sich. Vielleicht bist du wieder gesund geworden. Vielleicht hast du eine Arbeit gefunden. Vielleicht hast du neuen Mut bekommen. Trost. Frieden. Vergebung…. die Liste kann lang sein.
Aber jetzt kommt’s: Es sind 10 Menschen, die geheilt werden. Aber nur einer kehrt zurück um danke zu sagen. Einer. Und Jesus stellt die Frage: „Wo sind die neun?“
Wir könnten uns jetzt auf diese neun konzentrieren. Wir könnten uns auf sie stürzen! Wir könnten fragen, wie das sein kann, dass sie geheilt wurden, aber dafür nicht „Danke“ sagen. Wir könnten uns drüber ärgern, dass Leute nur dann zu Gott beten, wenn sie etwas von ihm brauchen – aber sonst mit ihm nichts zu tun haben wollen. Die in Krisenzeiten fromm sind und hinterher wieder alles vergessen.
Wir könnten uns damit befassen, und uns selbst dabei gedanklich auf die Schulter klopfen. Wir sind ja hier, wir sagen ja „Danke“, wir sind wie dieser Eine…
Aber, ihr Lieben, guckt mal genau hin, was dieser Eine macht: Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm.
Der natürliche Mensch, der vergisst sehr schnell, wo das Gute in seinem Leben herkommt. Neun aus zehn haben es nicht erkannt! 90%. Das ist eine erschreckend hohe Quote!
Aber bei diesem einen passiert etwas Merkwürdiges: Lukas berichtet, dass er „sieht, dass er gesund geworden war.“ Alle 10 werden gemerkt haben, dass sie gesund geworden sind. Bei Aussatz, da kann man das mit den Augen sehen! Aber dieser Eine sieht mehr. Er sieht, dass Jesus ihm mehr bietet als leibliche Genesung. Er sieht mehr.
Das ist nichts, was er von sich aus kann, sondern es wird ihm geschenkt! Genau wie im nächsten Kapitel, in Lukas 18, wo berichtet wird, wie Jesus den Blinden von Jericho heilt – „Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Und sogleich wurde er sehend, und folgte ihm nach und pries Gott.“ Genauso hier: Die Augen werden ihm geöffnet. Es ist ein Geschenk, dass er das Geschenk überhaupt als Geschenk erkennen kann!
Und so wollen wir heute, statt uns auf die Schulter zu klopfen, dass wir nicht sind wie die neun, so wollen wir heute erst einmal „Danke“ sagen, dass wir überhaupt „Danke“ sagen dürfen - so merkwürdig das auch klingen mag! Wir wollen dankbar sein, dass der Geist Gottes uns die Augen dafür geöffnet hat, dass wir erkennen dürfen, dass alles, was wir in diesem Leben haben, eine Gabe Gottes ist.
Und das, ihr Lieben, das hat Konsequenzen! Weil das so ist, dass uns überhaupt erst einmal die Augen dafür geöffnet werden müssen, können wir nicht einfach so in den Alltag zurückkehren. Weil das so ist, dass wir das als Gabe Gottes erkannt haben, kann nichts so bleiben, wie es war.
Und so wird aus der Frage „Wo sind die neun“ die Frage „Wo bist du?“
Der Eine, dem die Augen geöffnet wurden, der fällt vor Jesus nieder und dankt ihm. Im Griechischen wird hier eine Form benutzt (sog. Partizip Präsens - εὐχαριστῶν), die darauf hindeutet, dass dieses Danken keine einmalige Sache ist. Es ist kein „schnell mal eben Gott die Ehre geben und danke sagen“. Nichts von: Es gibt ein Problem, man betet drüber, Gott tut was, danke, amen. Sache abgehakt.
Nein! Es ist eine Aktion, die bleibt, die anhält, die sich immer und immer wiederholt. Es ist eine Aktion, die nicht aufhört. Dieses Danken - εὐχαριστῶν, wird zur Lebenseinstellung. Auch und gerade dann, wo die Gebete nicht so erhört werden, wie wir es uns wünschen! Auch und gerade da, wo das Leben schwer wird. Auch und gerade durch Kreuz und Leid.
Wo bist du? Wir sind nicht nur hier, mal eben „Danke“ zu sagen, sondern wir sind hier, um hier zu bleiben! Jesus sagt zu dem einen, der zurückgekommen ist: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen. Man sollte besser übersetzen: Steh auf, wandle! Mit anderen Worten: Folge mir nach. Geh mit mir, bleib bei mir. Auch und gerade auf dem Weg nach Jerusalem, auf diesem Weg durch Kreuz und Leiden. Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen – oder, wie es im griechischen Urtext heißt: Dein Glaube hat dich gerettet! Dein Glaube hat dich selig gemacht!
Du dachtest, es geht hier um ein einfaches Dankeschön, aber es geht um viel, viel mehr. Das, was der eine dort bekommen hat, die Reinigung nicht nur vom Aussatz, sondern die Reinigung von seinen Sünden, die hast auch du bekommen. Die Reinigung vom Aussatz war eine zeitliche, eine begrenzte Reinigung. Das Leben geht für diese 10 Männer ja trotzdem weiter. Mit allen Sorgen, Nöten, Problemen, Krankheiten, ja letzten Endes bis zum Tod.
Aber dieser eine, der hat mehr als nur eine zeitliche, begrenzte Reinigung bekommen. Er lebt zwar weiter, wie die anderen auch, mit allen Sorgen, Nöten, Problemen und Krankheiten, die das Leben eben mit sich bringt. Ja, er wird selbst eines Tages sterben müssen. Aber er hat eine Reinigung bekommen, die darüber hinaus noch bestehen wird. Die unendlich viel wertvoller ist als aller irdischer Segen – so schön und willkommen der auch sein mag.
Lieber Bruder, liebe Schwester, dasselbe gilt auch für dich. Die nächste Krankheit wird bestimmt kommen! Die Sorgen, Nöte und Probleme des Alltags sowieso. Ich sage nur “Corona!“ Aber vergiss nicht, dass du das alles im wahrsten Sinne des Wortes überleben wirst. Vergiss nicht, was du alles geschenkt bekommen hast. Lass dir immer und immer wieder die Augen für diese unendliche Gnade öffnen!
Wo bist du? Wie schön, dass wir hier sind, „Danke“ zu sagen! Wie schön, dass unsere Augen immer wieder geöffnet werden! Wie schön, dass wir in der Nachfolge Jesu sein dürfen! Wie schön, dass wir auf die Frage: Wo bist du? antworten dürfen: Bei Jesus!
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes,
September 2020