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Predigt zum 11. Sonntag nach Trinitatis - mit Audiodatei

veröffentlicht am: 23.8.2020 by at https://selk-radevormwald.de/posts/20200823-predigt/

Er sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Lukas 18, 9-14

„Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie….“ Ja, wie wer denn eigentlich?

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, dieses Gleichnis stellt uns heute morgen vor eine gewisse Herausforderung! Jesus fordert uns quasi heraus, dass wir uns mit einer der beiden Personen hier identifizieren.

Da ist auf der einen Seite der Pharisäer – selbstgerecht, arrogant, anmaßend.

Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.

Und dann auf der anderen Seite eben dieser Zöllner. Nachdenklich, demütig, bescheiden.

Gott, sei mir Sünder gnädig!

Mit wem identifizierst du dich?

Als Jesus dieses Gleichnis erzählt, da hätten die meisten der Zuhörer sich erstmal mit dem Pharisäer identifiziert. Die frommen Juden glaubten tatsächlich, dass sie vor Gott Gerechtigkeit erlangen, wenn sie „nicht sind wie die anderen Leute“… Wenn sie fasten, wenn sie geben, wenn sie das Richtige tun und das Böse lassen. Und mit diesem Tun und Lassen, mit diesem Handeln, wäre Gott dann zufrieden.

Haben sich die ersten Hörer sehr wahrscheinlich eher mit dem Pharisäer identifiziert, so habe ich eher Sympathien mit dem Zöllner. Du vielleicht auch. Der macht’s doch richtig, oder? Ich komme ja auch Sonntag für Sonntag hier in den Gottesdienst, spreche „Gott sei mir Sünder gnädig“; weiß als guter Lutheraner, dass ich vor Gott keine Gerechtigkeit erlangen kann; weiß, dass mein Tun und Lassen böse ist; und dass egal, was ich mache, ich vor Gott immer als Sünder dastehen werde! Ich weiß das doch alles. Ich bin doch eher so wie der Zöllner.

Und so sage ich mir dann, innerlich auf die Schulter klopfend: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie dieser Pharisäer…“

Und zack! Schon bin ich in die Falle getreten, die Jesus mir hier gestellt hat. Schon habe ich genau das getan, wovor dieses Gleichnis mich eigentlich warnen wollte!

Schon merkwürdig, oder? Dieses Gleichnis fordert regelrecht dazu auf, genau das zu tun, wovor es warnt! Und warum? Na ja, das Gleichnis liefert ja gewissermaßen eine „Bedienungsanleitung“ mit, wie man sich im Angesicht Gottes zu verhalten hat. Aber, sobald man sich an diese Anleitung hält, macht man es gleich schon wieder falsch!

Ihr Lieben, dieses Gleichnis prangert das Sich-Verlassen auf die eigene Gerechtigkeit, auf die Richtigkeit des eigenen Handelns an. Wenn ich das so oder so mache – besser noch, wenn ich das so oder so nicht mache, dann wird Gott mit mir zufrieden sein! Mit anderen Worten: Wenn ich mich so wie der Zöllner verhalte, dann ist alles gut.

Nein, es geht nicht um das Äußere. Es geht nicht um das, was ich tue oder lasse, sondern es geht um die innere Haltung. Es geht um das Herz. Der Zöllner ist nur deswegen auf der richtigen Spur, weil er sich selbstkritisch beurteilen kann. Weil er im Herzen erkennt, dass das, was er macht, nicht richtig ist. Ja, weil er erkennt, dass er mit seinem Tun oder Lassen vor Gott eben keine Gerechtigkeit erlangen kann! Und dann die Erkenntnis, dass nur Gott das korrigieren und heilen kann. Dass nur Gott selbst die Gerechtigkeit herstellen kann, die er von ihm fordert.

Und so kommt dieser Zöllner nicht in die Synagoge, weil er dadurch das Richtige tun will. Er kommt nicht in die Synagoge, weil das Gesetz es von ihm fordert. Er kommt in die Synagoge, er kommt zu Gott, weil er ihn braucht! Der Pharisäer braucht Gott nicht! Er ist selbstgerecht, er schafft sich seine Gerechtigkeit selbst! Der Zöllner aber weiß, dass er sich seine Gerechtigkeit nicht selbst schaffen kann, und so kommt er zu Gott.

Warum kommst du hier in den Gottesdienst? Was ist deine Motivation? Ich könnte sagen, dass ich hier bin, weil es meine Arbeit ist! Der Pastor muss schließlich auch mal arbeiten, oder? Nein, im Ernst, wenn wir auf dieses Gleichnis hören, dann erübrigt sich die Frage nach der „Motivation“. Da erübrigt sich das Tun und Lassen. Es geht nämlich um die innere Einstellung! Eine Einstellung, die dann tatsächlich wieder ein Handeln auslöst: Nämlich, die Flucht zu Gott. Die Flucht hin zu seiner bedingungslosen Gnade und Barmherzigkeit.

Ich stelle fest, dass ich hier bin, weil ich das brauche. Weil es ein existentieller Bestandteil meines Lebens ist. Weil ich sonst nicht leben kann. Weil auf das „Gott sei mir Sünder gnädig“ hier immer, wirklich ausnahmslos immer folgt: „Dir sind deine Sünden vergeben!“

Ihr Lieben, da ist die Motivation klar! Da erübrigt sich die Identifikation! Da tritt das eigene Tun und Lassen in den Hintergrund! Wo auf der ganzen Welt gibt es das sonst?

Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pastor Roland C. Johannes,
August 2020

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