Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.
Ihr Lieben,
da sind Leute richtig vom Heiligen Geist begeistert. Wann warst du eigentlich das letzte Mal so richtig von ihm begeistert?
Begeisterung? Heiliger Geist? Das ist vor allem für uns in unserer lutherischen eher kopflastigen Kirche ein nicht so ganz leichtes Thema, bei dem wir uns oft und gerne wenn überhaupt nur sehr vorsichtig und vage ausdrücken. Ich finde das auch irgendwie nicht verwunderlich, denn das sind ja Wesenszüge von Geistern. Geist, das ist etwas schwer Fassbares und kaum Greifbares. Das gilt auch außerhalb der christlichen Welt: Geist kann für die geistige Kraft eines Menschen stehen. Geist kann ein Gespenst sein, eine körperlose Erscheinung, ein Wesen aus der Welt der Toten. Ein bestimmter Geist kann in Kulturen und Gemeinschaften zu spüren sein – das ist dann ihr Wesen oder Charakter. Nur: Wer oder was ist der Heilige Geist?
Wikipedia, sonst gerne mal mein Freund und Helfer, hilft hier nicht wirklich weiter: „Der Heilige Geist … ist ein heiliges Geistwesen, das insbesondere im Christentum eine wesentliche Bedeutung hat.“ Der Heilige Geist ist also ein heiliges Geistwesen! Wer hätte das gedacht?! Und die Bundeskanzlerin ist ein Bundeskanzlerinnenwesen. Schon klar.
Das Neue Testament schweigt sich da nicht so aus. Es gibt sehr konkrete Schilderungen davon, wer der Heilige Geist ist und was er tut. Sehr prominent ist zum Beispiel die Pfingstgeschichte.
Da sitzen die Jünger zusammen und warten, beten und warten, beten und warten. Und dann, am Pfingsttag,– so beschreibt Lukas es in der Apostelgeschichte – dann werden die Jünger vom Heiligen Geist erfüllt. So wie Lukas das beschreibt, ist erkennbar, dass man mit der Sprache sehr schnell an Grenzen kommt. So ist es ja oft, wenn Menschen versuchen Begegnungen mit Gott oder dem Heiligen Geist in Worte zu fassen. Es ist so, wie wenn man versucht die Schlüsselszene eines Films mit Worten zu beschreiben. Man kommt mit Worten nur mühsam und annäherungsweise heran an das, was da alles transportiert wird und geschieht.
Damals ist das wie ein Brausen gewesen, erzählt Lukas. Der Geist kommt hier wie ein Wind, dynamisch und stark. Und wie Feuersflammen habe es ausgesehen, erzählt Lukas weiter. Der Geist ist also wie ein starkes Feuer: Lebendig und kräftig „befeuert“ er die Freunde von Jesus Christus.
Noch spannender finde ich aber, was dann passiert. Der Geist erfüllt sie – und sie reden von Gottes großen Taten. Zu allen. Und Menschen aller Herren Länder können sie verstehen. Petrus tut sich besonders hervor. Der Fischer aus Kapernaum ohne Abitur und theologisches Examen steht mitten in Jerusalem und predigt zum ersten Mal in seinem Leben. Und alle hören ihm zu.
Von Jesus predigt er, von seinem Kommen und Leiden, vom Tod am Kreuz und von der Auferstehung. Aber jetzt kommt es: Als Petrus seine Predigt abgeschlossen hat, kommt Bewegung in die Menschen, die ihm zugehört haben. Was sie gehört haben, lässt sie nicht kalt. Sie sind berührt und angezogen. Lukas beschreibt das sehr präzise: „Als sie aber das hörten, ging’s ihnen durchs Herz und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?“
Da hat nicht nur ein Mensch Worte über religiöse Themen verloren. Er hat mit dem Heiligen Geist gepredigt. Es ging ihnen durchs Herz. Wenn die Bibel Menschen nicht mehr kalt lässt, dann haben wir es mit dem Geist Gottes zu tun. Wenn die Erzählung von Jesus uns naherückt und wir spüren, dass es jetzt um unser Leben geht, dann haben wir es mit dem Heiligen Geist zu tun. Wenn wir beglückt oder beunruhigt feststellen, dass Gott Wirklichkeit ist und wir von ihm angesprochen sind und es etwas in uns verändert – Heiliger Geist! Wenn es uns in die Nähe Gottes zieht und wir uns danach sehnen, mit ihm zu leben – Heiliger Geist! Wenn dir die Augen aufgehen für jemanden, der deine Hilfe braucht – Heiliger Geist! Wenn wir plötzliche einen inneren himmlischen Frieden verspüren – Heiliger Geist! Oder wenn jemand das Bedürfnis äußert endlich getauft zu werden, so wie Jonny heute morgen – Heiliger Geist!
Petrus hatte übrigens eine geistesgegenwärtige Antwort: Kehrt um, lasst Euch taufen und kommt zur Gemeinde hinzu. Gott der Heilige Geist wird auch in Eurem Herzen wohnen! Lukas berichtet, dass an diesem Tag für 3000 Menschen ein neues Leben begann. Das ist der Heilige Geist. Durch seine Kraft und mit seiner Kraft wird den Menschen das Evangelium gepredigt.
Was damals in Jerusalem geschah, geschieht seitdem immer wieder, auf der ganzen Erde, zu allen Zeiten. Und wir hoffen und erwarten, dass es auch hier bei uns geschieht. Denn ohne den Geist Gottes bleibt alles Christliche totes Wissen, vergangene Geschichte. Das ändert sich schlagartig, wenn der Heilige Geist ins Spiel kommt. Durch den Geist glauben Menschen an Gott. Durch den Geist, können sie es erst.
An mehreren Stellen im neuen Testament ist zu lesen, dass der Geist Menschen auf besondere Weise begabt. Jeder von euch hat solche Geistesgaben. Viele von den heute hier Anwesenden sind musikalisch begabt. Andere können vielleicht sehr gut mit Worten umgehen, wieder andere helfen ohne zu murren, indem sie überall mit anpacken, wo sie es können. Dann gibt es diejenigen, die immer ein Lächeln auf den Lippen haben und ein Blick in ihre Augen lässt uns etwas von der besonderen Freude und dem Trost Gottes spüren. Alles das und noch viel mehr ruft der Geist in uns hervor, um durch uns, durch dich und mich, an anderen zu wirken.
Und so ist der Heilige Geist überhaupt nicht bloß ein „Etwas“, das ich nicht fassen kann oder ein Gefühl, eine Wirkung. Nein, sein Wirken hängt nicht von mir, von meiner Vorstellungskraft, von meinen Emotionen ab. Sondern der kommt, wo und wann ER will.
An Pfingsten ist es hier in Radevormwald für gewöhnlich nicht schwer, vom Heiligen Geist begeistert zu sein und ich sage euch gerne, dass für mich Pfingsten als Fest des Heiligen Geistes durch mein hier sein Gestalt gewonnen hat und erlebbar geworden ist. Denn, wenn hier jedes Jahr so viele junge Menschen zusammenkommen und sich anstecken lassen von der Freude und dem tiefen Vertrauen, welches in den geprobten Liedern zum Ausdruck kommt, dann ist es leicht sich davon anstecken zu lassen von dieser Freude und sich begeistern zu lassen von dem Heiligen Geist, der sogar sichtbar, hörbar und spürbar gegenwärtig ist in der Gemeinschaft und in jedem Einzelnen. Und diese Begeisterung trägt viele hier noch wochenlang weiter durch die Tage.
Das wird in der Form leider nicht stattfinden dieses Jahr. Der Heilige Geist findet aber trotzdem unablässig statt. Er kommt nur nicht immer so gewaltig, laut und tosend daher, nein, manchmal ist er auch einfach still, unscheinbar und oft ungesehen. Aber er ist da, fleißig am Werk und wenn es uns gelingt, ihn in allem zu erwarten und darum zu bitten, dass wir ihn auch erkennen, dann schafft das ein hilfreiches Bewusstsein für den Heiligen Geist auch in unserem Leben. Das wünsche ich euch und mir, dass wir ihn sehen und erleben in all den Kleinigkeiten und Großartigkeiten unseres des Alltags wo er am Werk und darum auch zu finden ist. AMEN.
Pastor Florian Reinecke,
Mai 2020