12. Alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertundzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen.
13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke,
14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.
Liebe Gemeinde,
wir haben neulich hier mit 6 Leuten zusammen am Gründonnerstag die Einsetzung des Heiligen Abendmahls gefeiert. Ohne Abendmahl. Und heute feiern wir den Sonntag Kantate – „Singet“ – ohne Kirchenchor, ohne Posaunenchor.
Es sind außergewöhnliche Zeiten. Und dennoch bietet diese Ausnahmesituation, diese Corona-Auszeit, uns eine gute Gelegenheit, mit etwas Abstand, auch mit einer gewissen Wehmut über das nachzudenken, was uns eigentlich wichtig ist. Indem wir jetzt Verzicht üben müssen - zwangsläufig, lernen wir vielleicht wieder das zu schätzen, was wir so oft für selbstverständlich hingenommen haben.
Heute ist es die Kirchenmusik. Ein Thema, das mir bekanntlich sehr am Herzen liegt. Eine Sache, die meiner Meinung nach viel zu oft als selbstverständlich hingenommen wird. „Die Orgel spielt doch! Natürlich singt der Chor! Klar, das gehört doch dazu! Ist doch selbstverständlich, oder?“
Eben nicht.
Ihr könnt euch vorstellen, wie dankbar ich war, als ich in Radevormwald ankam und gesehen habe, wie fleißig die Kirchenmusik hier in der Martinigemeinde gepflegt wird! Wie treu und gewissenhaft und vor allem wie fähig die Organisten und Chorleiter agieren. Dazu noch die wunderschöne neue Orgel, der kräftige Gemeindegesang, die feierliche Liturgie… da geht mir das Herz bei auf! Aber gerade da, wo diese Dinge fast selbstverständlich dazugehören, da, wo es irgendwie immer schon so war, gerade da tut es auch mal gut, einen Schritt zurück zu machen. Einen Schritt zurück zu machen und bewusst das wertzuschätzen, was man hat. Es vielleicht in einem neuen Licht sehen. Es wieder wertzuschätzen.
Wir hören heute von einem kirchenmusikalischen Ereignis der Extraklasse! Von der Tempelweihe in Jerusalem vor nunmehr etwa 3000 Jahren. Wir haben es soeben gehört: „Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke.“
Im Kontext unserer heutigen Überlegungen zum Thema Kirchenmusik, möchte ich drei Aspekte über das Gotteslob hervorheben: Das Gotteslob ist erstens begleitet, zweitens einstimmig, drittens aufwändig. Auch wenn diese drei Dinge nicht unbedingt immer und überall auf unser heutiges Musizieren zutreffen, so können sie uns doch Wichtiges über das Singen und Musizieren zu Gottes Ehre sagen.
Erstens: Das musikalische Gotteslob ist begleitet. Wir denken heute zuerst an die Orgelbegleitung beim Choralsingen, weil wir die aus dem Sonntagsgottesdienst gewohnt sind. Orgeln gab es zur Zeit der Tempelweihe allerdings noch nicht. Stattdessen lesen wir da von Zimbeln, Psaltern, Harfen und Trompeten. Zimbeln, also Becken, kennen wir vom Schlagzeug; man kann ordentlich Krach mit ihnen machen. Wir wissen allerdings nicht, wie die levitischen Musiker damals ihre Zimbeln eingesetzt haben. Aber es ist gut vorstellbar, dass sie damit wichtige Wörter des Lobgesangs akustisch betonten, zum Beispiel das Wort „Herr“. Wenn der Gottesname fällt, dann sollen nämlich alle aufhorchen, dann sollen auch die letzten Kirchenschläfer aufwachen!
Andere Leviten zupften an Psaltern und Harfen. Das waren melodisch gestimmte Saiteninstrumente, die man damals ungefähr so verwendete, wie man heute üblicherweise Gitarren benutzt (die wir ja auch aus unseren Gottesdiensten kennen). Der Gesang wird damit akkordmäßig begleitet. Und dann waren da noch die Blechblasinstrumente, die Trompeten. Sie wurden nicht von den einfachen Tempeldienern geblasen, den Leviten, sondern sie waren den Priestern vorbehalten. Das lag daran, dass die Trompeten eigentlich keine Musikinstrumente, sondern Signalinstrumente waren. Mit charakteristischen Trompetensignalen riefen Israels Priester die Menschen sowohl zum Gottesdienst als auch zur Landesverteidigung zusammen. Sie kündigten auf diese Weise auch bestimmte Zeiten an, zum Beispiel den Beginn eines neuen Monats oder eines neuen Jahres. Die Trompeten erfüllten damals denselben Zweck wie die Kirchenglocken im Mittelalter. Deshalb war die verantwortungsvolle Aufgabe des Trompetens den Priestern vorbehalten; es war so etwas wie eine Verkündigungsaufgabe.
Wir merken: Die Begleitung des Gotteslobs durch Instrumente ist keineswegs nur eine nebensächliche Verzierung, sondern sie wirkt bei der Verkündigung mit! Asaf, Heman und Jedutun, die namentlich genannten Leiter der Levitenchöre, werden darum an anderer Stelle sogar als Propheten bezeichnet.
Wir nehmen daraus für unser musikalisches Gotteslob die Erkenntnis mit: Singen und Musizieren zur Ehre Gottes ist zugleich auch immer Verkündigung. Die Begleitung mit Instrumenten unterstreicht die gesungenen Worte von der Barmherzigkeit und von der ewigen Güte unseres Gottes.
Zweitens: Das musikalische Gotteslob ist einstimmig. Jedenfalls schien das damals so zu sein bei der Einweihung des Tempels. Da steht nämlich: „Und es war, als wäre einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn.“ Der Traum eines jeden Chorleiters, wenn das tatsächlich endlich klappt!
Allerdings ist damit möglicherweise nicht dasselbe gemeint, was wir heute unter Einstimmigkeit verstehen, nämlich dass alle Sänger und Bläser unisono dieselbe Melodie singen beziehungsweise spielen. Das wäre für unseren heutigen Geschmack nicht nur einstimmig, sondern auch eintönig.
Vielleicht soll nur betont werden, dass die Levitenchöre so sauber intonierten und so gut aufeinander hörten, dass der Eindruck eines ganz einheitlichen Gesamtklangs entstand – wie gesagt, der Traum eines jeden Chorleiters! Seit König Davids Zeit waren es immerhin Profi-Musiker, die am Jerusalemer Heiligtum musizierten. Wir wissen zu wenig über die Musik im alten Israel, um die Frage nach der Einstimmigkeit sicher beantworten zu können. Eins aber ist gewiss: Der Eindruck, dass die vielen hundert Musiker wie eine Stimme zusammenklangen, zeigt etwas über Gottes Volk. Viele Stimmen, viele verschiedene Menschen kommen da zusammen, um den einen wahren Gott einmütig für seine Barmherzigkeit und Güte zu loben.
Wir nehmen für unser musikalisches Gotteslob die Erkenntnis mit: Die Kirchenmusik ist ein Sinnbild für die Einheit des Leibes Christi. Wir sind die Glieder dieses Leibes – vielfältig, verschieden begabt, mit verschiedenen Stimmlagen und Instrumenten. Aber der eine Herr der Kirche vereinigt uns zu einmütigem Loben und Preisen, wie aus einem Munde!
Drittens: Das musikalische Gotteslob ist aufwändig. König Salomo hatte damals einen enorm hohen Aufwand betrieben, um das Tempelweihfest würdig auszugestalten. Nicht nur, dass er unzählige Schafe und Rinder als Dankopfer darbringen ließ; nein, auch die Kirchenmusik war aufwändig.
Salomo hatte dafür gesorgt, dass nicht nur die gerade diensthabenden Priester und Leviten sich für die Einweihungszeremonien bereit machten, sondern sämtliche verfügbaren Priester und Leviten, auch die Reserve. Dann sei auch noch einmal an die aufwändigen Gewänder erinnert und an die Tatsache, dass es sich bei den Leviten um Berufsmusiker handelte. Wenn es ums Gotteslob ging, war Salomo kein bisschen sparsam!
Eigentlich sollte das selbstverständlich sein: Gott ist unser Herr und König, dem wir alles zu verdanken haben, da sollte als Dankopfer für ihn das Beste gerade gut genug sein. Wenn es im Choral „Herr Gott, dich loben alle wir“ heißt: „Darum wir billig loben dich“, dann ist damit nicht gemeint, dass die Kirchenmusik möglichst wenig kosten soll. Es ist vielmehr richtig und wichtig, dass wir uns Mühe geben, auch Zeit und Geld hineinstecken. Von Nichts kommt Nichts…
Natürlich kann nicht jede Kirchengemeinde Profi-Musiker einsetzen – das ist hier auch gar nicht der Anspruch. Darum geht es hier nicht. Aber alle, die in einer Gemeinde musizieren, sollten sich dennoch das immer wieder sagen lassen: Dass sie nicht faul und nachlässig sein sollen, sondern einen gewissen Aufwand betreiben, um Gott möglichst einstimmig zu loben!
Es fängt damit an, dass wir fleißig und regelmäßig üben und uns gut vorbereiten! Wer ein Instrument spielt, weiß sowieso, wie wichtig fleißiges Üben ist; auch das gemeinsame Üben in Sängerchor und Bläserchor ist unverzichtbar. Und wenn es um Musikunterricht für den Nachwuchs geht oder um die Anschaffung und Instandhaltung von Musikinstrumenten, dann darf das auch ruhig mal Geld kosten. Gotteslob ist mitunter auch aufwändig!
»Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig« - so singt man bei der Einweihung des Tempels. Wenn wir zu Gottes Lob singen und musizieren, dann spüren wir Gottes Barmherzigkeit und Güte ganz unmittelbar an Leib und Seele. Manchmal ist es geradezu so, als wären wir eingehüllt in eine Wolke der Seligkeit, in eine Wolke der Gottesnähe. Vielleicht hast du das schon mal so erlebt! „Da wurde das Haus des Herrn erfüllt mit einer Wolke, … denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.“
Wie gesagt, es sind außergewöhnliche Zeiten. Wir vermissen gerade Vieles – auch im Bereich der Kirchenmusik. Aber wir werden noch an diese Zeiten zurückdenken, da bin ich mir sicher. Diese Zeiten, als wir keine Gottesdienste halten durften, kein Abendmahl feierten, als die Kirchenmusik weitgehend schweigen musste. Mögen wir dann das zu schätzen wissen, was wir haben. Möge der Herr uns die Kirchenmusik erhalten und seinen Segen dazu geben. Denn *„er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig.“ Amen.
Der Friede Gottes, welches höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Roland C. Johannes
Mai 2020