57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Liebe Gemeinde!
Prioritäten! Ich weiß nicht wie es euch dabei geht, aber ich habe oftmals so meine Probleme damit, Prioritäten zu setzen. Es ist ja erstens nicht einfach, überhaupt die richtigen Prioritäten zu identifizieren. Und dann, zweitens, auch danach zu handeln!
Wenn ich mir überlege, was ich mir alles vorgenommen, aber nie fertigbekommen habe! Wie der Keller aussieht… Die Bilder, die immer noch nicht im Schlafzimmer aufgehängt sind… Das Laub, das im Garten vor sich hin verrottet… Alles Dinge, die ich mir vorgenommen habe. Dinge, an die meine Frau mich auch immer wieder erinnert hat. Aber, ich bin einfach nicht dazu gekommen. Zu wenig Zeit, zu wenig Druck, falsche Prioritäten.
Ich tröste mich daran, dass ich offensichtlich mit diesem Problem nicht alleine bin! Es sind jetzt zweieinhalb Monate seit Jahresbeginn. Wie viele von euch haben es tatsächlich geschafft, die guten Vorsätze für 2020 auch wirklich umzusetzen? Genau!
Nun sind Keller aufräumen, Bilder aufhängen und Laub harken wahrlich keine außerordentlich wichtigen Angelegenheiten. Aber das, wovon Jesus hier heute morgen redet, schon. Und die Prioritäten, die er gesetzt sehen will, die haben es in sich! Das ist schon ganz schön radikal, was er da fordert!
Wir haben vor einigen Jahren diesen Text im Hauskreis besprochen. „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben.“
Daraufhin sagte einer aus der Gruppe: „Also Jesus hat ja viel Gutes gesagt; aber das hier, das ist wirklich daneben!“ Tatsächlich, so radikal kommt einem das vor! Es scheint, als ob Jesus hier einen Fehler gemacht hat! Wie kann er nur solchen Gehorsam fordern? Warum ist er so hart und unbiegsam bei der ganzen Sache? Wie kann er bloß solche Prioritäten verlangen?
Lukas berichtet, dass drei Leute zu Jesus kommen. Drei unterschiedliche Szenen, ein zentrales Thema: Nachfolge! Das Thema des heutigen Sonntags. Konsequente Nachfolge. Was bedeutet eigentlich Nachfolge?
Die erste Szene: Jesus ist unterwegs nach Jerusalem und es kommt einer zu ihm und sagt: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Einfach so. Das klingt ein bisschen wie Petrus, oder? „Ich werde dich nie verraten!“ Selbstbewusst, zuversichtlich.
Aber dieser erste Mann, der hatte gar keine Ahnung was es bedeutet, Jesus nachzufolgen. Genau wie Petrus keine Ahnung hatte, was Jesus wirklich durchmachen würde. Dieser Mann hatte die konsequente Nachfolge nicht bis ins Letzte durchdacht! Jesus nachzufolgen ist kein gemütliches Unterfangen, schmerzlos und sorgenfrei. Nein! Wer Jesus nachfolgen will, der muss sich drauf einstellen, dass es auch unter Umständen ungemütlich werden kann. Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
Tatsächlich ist der Sohn Gottes nicht in diese Welt gekommen, um es sich gemütlich zu machen. Er ist nicht gekommen, um sich in Macht und Herrlichkeit hier einzunisten. Nein, er ist gekommen, um am Kreuz zu sterben. In Philipper 2 lesen wir:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
„Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Wirklich? Das ist die Frage, die Jesus ihm stellt. Willst du das wirklich? Kannst du das? Was sind deine Prioritäten?
Die zweite Szene: Hier ist’s andersherum. Hier fragt Jesus einen Menschen und sagt: „Folge mir nach!“ Daraufhin kommt aber diese Antwort: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.
Wenn ich mir das so anhöre, klingt es ja eigentlich ganz legitim! Ich meine, Jesus wäre doch nicht so unmenschlich, um dem Mann diesen Wunsch nicht zu gewähren, oder? Das war doch in der damaligen Zeit ein ganz wichtiger Akt der Liebe, die Toten zu begraben. Eines der wichtigsten Dinge, die ein Sohn für seinen Vater tun konnte! Und das will Jesus tatsächlich untersagen?
Ihr Lieben, an dieser Bibelstelle haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Klingt ja auch merkwürdig – oder, wie im Hauskreis besprochen, „daneben!“ Tatsächlich kann man das aber recht gut erklären, was hier gemeint ist. Die Worte „erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe“ haben nämlich eine ganz andere Bedeutung. Dieser Satz drückt aus, dass man als Sohn gewisse Pflichten gegenüber dem Vater zu erfüllen hat, und zwar bis zum Tod des Vaters. Mit anderen Worten sagt der Mensch hier, dass er zuerst seine Verpflichtungen gegenüber seinem Vater – der zu diesem Zeitpunkt noch lebt! – erfüllen möchte, bevor er Jesus nachfolgen kann. Jetzt geht es erstmal darum, den Vater zu versorgen – und nebenbei das Erbe sicherzustellen! Jetzt geht es grad nicht, Jesus! Aber nachher, da habe ich für dich Zeit. Noch habe ich andere Prioritäten…
Aber nein. Jesus gibt klar und deutlich zu erkennen: Die Verpflichtungen gegenüber dem Vater sind niemals wichtiger als die Verpflichtungen Jesus gegenüber. Die Prioritäten müssen anderes gesetzt sein. Erst was anderes machen, dann Jesus - das geht nicht! Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!
Dritte Szene: Auch hier will einer erst etwas anderes machen, bevor er dann Zeit hat, Jesus nachzufolgen. Auch hier erscheint der Wunsch ganz legitim: Erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Auch das war damals eine wichtige Sitte – man verabschiedete sich, wenn man den Ort verließ. Ist heute ja nicht anders! Wer abhaut, ohne zu grüßen, wird als respektlos eingestuft. Aber wieder einmal will Jesus davon nichts wissen: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Ihr Lieben, letzte Woche war die Frage, wie wir als Reben am Weinstock gute Früchte bringen können. Wie wir Trauben hervorbringen, die dem Weinstock, die Jesus Christus, entsprechen. Heute eine ganz ähnliche Frage: Wie sollen wir das mit den Prioritäten nur hinbekommen? Wenn ich mein Leben betrachte, dann muss ich zugeben, dass ich mit dem Pflug meiner Prioritäten eben keine gerade Furche hinbekomme. Dass ich ständig zurückblicke auf das, was mir wichtiger erscheint. Dass ich es nicht schaffe, Jesus an erste Stelle zu setzen – weil ich mich von so vielen anderen Dingen ablenken lasse… Wie schaff ich das bloß?
Wenige Verse zuvor lesen wir: „sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern.“ Jesus hatte sein Gesicht Richtung Jerusalem gewandt; Seine Augen waren auf das Kreuz gerichtet! “Oculi mei semper ad Dominum.” – „Meine Augen sehen stets auf den Herren.“
Ihr Lieben, wir bekommen das mit der Nachfolge hin, wenn wir unsere Augen auf den Herrn gerichtet haben! Wir bekommen das mit den Prioritäten hin, wenn unser Blick auf Christus gerichtet ist! Genauso wie seine Augen auf Jerusalem, auf das Kreuz, auf unsere Erlösung gerichtet sind. „Meine Augen sehen stets auf den Herren.“
Klar, das ist und bleibt schwierig mit den Prioritäten. Aber Jesus hilft uns, sie richtig zu sehen und richtig zu setzen. Gerade in diesen verrückten Zeiten haben wir doch die Gelegenheit, uns auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist! Auch wenn man in diesen Tagen nicht in den Gottesdienst kommen mag (und das ist auch ganz legitim**, so hat man vielleicht jetzt die Zeit und die Ruhe, zu Gott zu beten. Vielleicht hast du jetzt Zeit, die Bibel und das Andachtsbuch wieder in die Hand zu nehmen. Vielleicht hast du jetzt Zeit, Prioritäten zu setzten, geistliche Prioritäten. Und die sind wichtiger als Keller aufräumen, Bilder aufhängen, Laub harken – ja wichtiger als Leben und Tod!
Das ist längst nicht mehr radikal. Da hat Jesus keinen Fehler gemacht. Das ist nicht daneben. “Oculi mei semper ad Dominum.” – „Meine Augen sehen stets auf den Herren – denn er wird meinen Fuß aus dem Netz ziehen!“ Gerade jetzt! Und jetzt erst recht! Amen.
Pastor Roland C. Johannes, März 2020