Was hilft’s, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.
Aber es könnte jemand sagen: Du hast Glauben und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken. Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben’s auch und zittern. Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?
Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden. So ist die Schrift erfüllt, die da spricht: »Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden«, und er wurde »ein Freund Gottes« genannt. So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein. Desgleichen die Hure Rahab, ist sie nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und ließ sie auf einem andern Weg hinaus? Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.
Ihr Lieben,
„Jeden Tag eine gute Tat!“ Alte Pfadfinderregel. Jeden Tag etwas zu tun, das nicht selbstverständlich ist. Jeden Tag einem Menschen etwas Gutes tun. Keinen Tag im Leben verstreichen lassen, an dem man nicht einem Menschen eine Freude gemacht hat. Das ist schon ein guter Grundsatz finde ich.
Ein guter Vorsatz für jeden Tag. Er überfordert niemanden und in aller Regel ist das gute Gefühl, das sich einstellt, wenn man jemandem eine Freude gemacht oder einen Gefallen getan hat meist größer als der Aufwand. Viele von euch teilen ganz bestimmt diese Erfahrung.
Ihr alle kennt sicherlich den Radevormwalder Mittagstisch. Vor so vielen Jahren, mittlerweile 23, begann die Arbeit des Mittagstisches, der mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, Spender und Förderer zum Leben wichtige Dinge an bedürftige jeden Alters ausgibt. Ein tolles Engagement. Viele der Mitarbeiter sind christlich geprägt und tun ihre Arbeit mit einer Hingabe, die mich staunen lässt.
„Wunderbar!“ würde Jakobus wahrscheinlich rufen. „Was du da erzählst, das stellt mir Menschen vor Augen, die etwas ganz Wesentliches im Glauben erkannt haben. Und sie haben nicht nur etwas erkannt, sondern sie setzen auch in die Tat um, dass sie wissen, dass es zu ihrem Glauben dazu gehört, anderen etwas Gutes zu tun. Sie sind nicht nur für sich fromm oder reden fromm daher.
Nein. Sie Krempeln auch mal die Ärmel hoch, packen an, speisen andre nicht bloß mit Worten ab, sondern sorgen dafür, dass sie etwas zu essen und anzuziehen bekommen. Glaube und gute Werke sind nicht zu trennen.
So wie ein gesunder Baum gute Früchte bringt, so wachsen am Baum des Glaubens gute Werke. Das ist meine feste Überzeugung. Ich stelle sogar Fragezeichen auf, wenn der Glaube keine solcher Früchte bringt. Denn Glaube bringt Früchte…immer…oder er ist tot!“
Ihr Lieben, Jakobus behält seine Überzeugung nicht für sich. Für seinen Brief hat er unheimlich viel Kritik und Ablehnung einstecken müssen. Nicht zuletzt von Martin Luther. Der hätte den Brief am liebsten aus dem Neuen Testament gerissen und vernichtet. Das, was Jakobus da schreibt, das stand für ihn im Widerspruch zu seiner eigenen befreienden Erkenntnis.
Jakobus schreibt nämlich:
So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein.
Martin Luther klammerte sich mit gutem Grund an seinem persönlichen Türöffner aus seiner Not heraus fest. Paulus schreibt an die Römer nämlich: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Gerade dieses allein war und ist eine Offenbarung.
Hat jetzt Paulus recht oder Jakobus? Können diese widersprüchlichen Aussagen fraglos nebeneinanderstehen? Kann sich die Bibel eigentlich selbst widersprechen? Was stimmt denn nun und woran können wir uns halten? Ich will mit euch zwei Schritte machen und damit versuchen, etwas Klarheit zu erreichen.
Wie die Bibel in allen ihren Schriften versteht auch Jakobus den Glauben als eine das ganze Leben prägende Kraft. Von Anfang bis zum Ende, in allen Bereichen und Facetten. Der Glaube ist ihm nicht etwas für Sonntage und einige herausgehobene Stunden.
Der christliche Glaube prägt die Haltung und das Verhalten des Glaubenden und bestimmt das Leben. Er ist die Kraft, die in Aktion versetzt, um sich den täglichen Herausforderungen zu stellen. Er ist die Gegenkraft gegen den Egoismus, der an uns allen zieht. Er bringt die Kraft der Liebe und Nächstenliebe hinein in das Miteinander von Menschen. Dabei geht es nicht um besondere Anstrengungen. Auch Leistung ist dem Glauben fremd. Es geht um das, was für den, der Jesus kennt und mit ihm lebt selbstverständlich ist. Jesus sagt es in der Bergpredigt selbst:
Ein guter Baum bringt gute Früchte.
Wir wissen nicht sicher, warum Jakobus das eigentlich Selbstverständliche ansprechen muss. Jedenfalls scheint bei denen, die er im Blick hat, die Selbstverständlichkeit des Selbstverständlichen verlorengegangen zu sein. Sie halten ihren Glauben hoch aber es fehlt an Nächstenliebe, an Haltung, an Taten, an Früchten.
Jakobus konstruiert zum besseren Verstehen einen Fall:
Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat - was hilft ihnen das?
Ich habe nichts gegen warme Worte oder einen Zuspruch, einen Bibelvers oder ein Segenswort! Aber wenn sie statt der notwendigen und anstelle der Not wendenden Hilfe gesagt werden, sind sie wirklich herzlos bis zynisch. Das von Jakobus genannte Beispiel macht greifbar, wie unmöglich ein solches Verhalten ist.
Unsere Kirche hat diverse Bereiche diakonischer Arbeit. Menschen mit verschiedensten Nöten können dort Hilfe finden. Das ist richtig gut.
Auch bei uns hier in Rade gibt es eine Menge Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren. Aber wie sieht das in unserer Gemeinde aus? Bekommt eine alleinerziehende Mutter Hilfe, wenn sie eine Wohnung sucht? Stellt an dieser Stelle ein Gemeindeglied eine Wohnung zur Verfügung? Wie engagieren wir uns als Gemeinde bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen? Sind die Kranken im Blick? Werden die Sterbenden und ihre Angehörigen eigentlich gut begleitet?
Dabei rede ich nicht von den Aufgaben, die die Pastoren oder anderen Hauptamtlichen oder die, die eh schon alles Mögliche tun, auch noch machen sollten. Ich rede von dem, was der ganzen Gemeinde ein herzliches Anliegen ist und wofür sie sich einsetzt. Nicht jeder für alles, sondern die einen hier, die anderen dort.
Jakobus erinnert uns daran, dass der Glaube an Jesus Christus nicht folgenlos sein kann. Weil er mein Leben bestimmt, bestimmt er auch meine Beziehungen und mein Verhalten gegenüber anderen. Wenn wir Menschen mit Jesu Augen sehen, dann können wir weder ihre Not übersehen noch an ihnen vorbeigehen.
Schonungslos stellt Jakobus klar: Wenn das nicht der Fall ist, müssen Fragen gestellt werden. Ja, dann ist der Glaube in Frage gestellt. Denn der Glaube ohne Werke ist tot.
Martin Luther kämpfte an einer anderen Front. Er ging als Mönch ins Kloster, weil er ein gottgefälliges Leben führen wollte, um sich das ewige Heil zu verdienen. Er ging ins Kloster, weil es nur dort nach kirchlicher Lehre uneingeschränkt möglich.
Und Martin war eifrig. Er tat alles, was in seinen Kräften stand: Er fastete, tat das, was als gutes Werk galt und geriet immer tiefer in eine Abwärtsspirale des Fragens. Er fragte sich stetig, ob er genug tut, damit Gott ihm gnädig ist. Sein Beichtvater war regelrecht in Sorge um ihn, so verbissen versuchte Luther es Gott recht zu machen.
Weil es dann als Professor für Biblische Theologie auch seine Aufgabe war, las er noch intensiver in der Bibel. All das, was er schon etliche Male gelesen hatte. Und irgendwann stieß er auf den Schlüssel, der die quälende Frage seines ganzen Lebens beantwortet. Er liest gerade den Römerbrief und kommt an die Stelle, die ich eben schon vorgelesen habe:
So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Die Türen zum Paradies gehen ihm da förmlich auf, erzählt er später. Allein durch die Gnade Gottes und allein durch den Glauben erlangen wir das Heil. Unsere Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, müssen und können wir nicht durch angestrengtes Tun guter Werke oder Taten, nicht durch besondere Opfer und religiöse Leistungen verdienen - Gott schenkt sie uns. Gratis. Allein aus Gnade. Ohne Vor- und Gegenleistung. Pure Liebe. Alle Voraussetzungen dafür hat Jesus Christus geschaffen. Am Kreuz. Glaubst du’s so hast du’s!
Das, was da am Kreuz stattgefunden hat steht im Zentrum unseres Christlichen Glaubens, darum steht das Kreuz auch im Zentrum unseres Blickes hier in der Kirche und ist so groß, dass wir es nicht übersehen können. Und das ist unsererseits nicht zu ergänzen und nicht mehr zu toppen.
Was Jesus getan hat, das ist genug, damit wir Gott gefallen und den Himmel betreten können, sobald wir aus dieser Welt hinausgehen. Darauf vertrauen und es annehmen, das braucht es und genau das nennt das neue Testament Glauben. Wer mit Jesus Christus im Glauben verbunden ist, für den steht der Himmel offen. Das war die befreiende Erkenntnis, die Martin Luther beim Lesen in der Bibel gewonnen hat. Wir werden nicht von Gott angenommen, weil wir etwas tun, sondern weil er alles getan hat. Nicht unsere Werke helfen uns dabei, allein Gottes Gnade und durch den Glauben geschieht das.
Und so haben beide, Jakobus und Paulus, ihre unverzichtbaren Perspektiven im biblischen Zusammenhang. Jakobus, der den unauflöslichen Zusammenhang von Glauben und guten Werken aufzeigt. Und Paulus, der den Geschenkcharakter von Gottes Tun und die rettende Kraft des Glaubens groß macht. Paulus schafft uns die Gewissheit, dass wir durch Christus Gott endlich recht sind. Jakobus erinnert daran, dass der Dienst, das Ziel der Gnade ist.
Und am Ende wird klar, was wie eine banale Weisheit daherkommt: Gott braucht unsere Werke nicht, aber unser Nächster. AMEN.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.