Selbständige Evangelisch-Lutherische Martini-Gemeinde Radevormwald
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Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis

veröffentlicht am: 1.11.2020 by at https://selk-radevormwald.de/posts/20101101-predigt/

So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Römer 3, 28

Liebe Gemeinde,

nun stehen uns ab morgen wieder deutliche Kontaktbeschränkungen im Alltag bevor. Deutschlandweit darf die Gastronomie im November nur noch außer Haus verkaufen, einige Betriebe gar nicht mehr öffnen und wir alle sollen uns nicht mit mehr als 10 Personen aus maximal zwei Haushalten treffen und das auch nur, wenn es unbedingt sein muss.

Ganz ehrlich: Ich hätte mir eine grundlegende Reformation der Beschränkungs-Strategie aus dem Frühjahr gewünscht. Also, eine deutlich erkennbare Entwicklung und individuellere Anpassungen der Maßnahmen, die nicht in gleichem Maße Berlin, Köln und Radevormwald betreffen. Aber es lohnt sich nicht da jetzt noch weiter einzusteigen, denn die nun beschlossenen Maßnahmen werden wir nicht verändern und sie zeigen hoffentlich schnellen Erfolg.

An eine Reformation in Glaubensdingen erinnern wir uns heute in diesem Gottesdienst. Und ich möchte mit euch einmal mehr auf den Kern dieser Reformation kommen, denn die wesentliche Erkenntnis ist eine, die wir uns selbst immer wieder in Erinnerung rufen und vor Augen führen müssen. Denn sie entgleitet uns regelmäßig, weil das Leben und unsere Gesellschaft immer wieder nach anderen Maßgaben und Prinzipien verlaufen.

Einer der Knackpunkte war damals - und ich glaube der ist es in Wirklichkeit heute immer wieder neu - die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Glauben und den guten Werken.

Martin Luther hat regelrecht gelitten unter der Frage: Was kann ich tun, damit Gott mir gnädig ist?

Richtig krank geworden ist er darüber, beinahe verrückt geworden ist er, weil er so darunter gelitten hatte, dass er nicht wusste, wie es sein kann und wie er es schaffen kann, dass Gott ihn liebt und annimmt.

Martin wusste wer er war und vor allem wie er war. Er wusste genau, dass sein Leben, obwohl er im Kloster war und es damit Gott gewidmet hat, niemals perfekt wäre und den Ansprüchen genügt, die Gott an die Menschen stellt. Das hat ihn fertig gemacht und er fragte sich: Wie schaffe ich das, dass Gott mir vergibt, dass ich so bin wie ich bin und so vieles falsch mache?

Und dann stieß er bei seiner Bibellese irgendwann auf die Lösung seines Problems und das hat ihn und in der Folge unfassbar viele Menschen bis heute verändert und befreit. Im Römerbrief liest er nämlich:

So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Dabei geht ihm ein Licht auf und später sagte er, dass ihm beim neuerlichen Lesen dieser Worte die Tür zum Paradies aufgegangen ist.

Diese Erkenntnis, dass wir nichts tun können, damit Gott uns liebt, diese Erkenntnis hat Martin Luther frei gemacht.

Diese Erkenntnis verändert auch dich und mich, immer wieder neu, weil es nicht so leicht ist, das im Kopf und klar zu behalten. Immer wieder schleichen sich im Kopf die Zweifel ein, ob wir nicht doch dieses und jenes tun müssen, damit Gott uns liebt.

Aber das ist Quatsch, es geht andersherum. Gott liebt uns und daraus kommt dann, dass wir seine Liebe gerne weitergeben und immer mehr so leben können, wie es Gott gefällt.

Ein Bild, was mir dabei hilft, das zu begreifen hat mit Musik zu tun. Musik entsteht nicht, wenn sie ganz akkurat gespielt wird, wie sie im Notensystem geschrieben ist. Also wenn auf dem Klavier jede Note Ton für Ton exakt in den Tonlängen gehalten wird.

So richtig wie die einzelnen Töne dann sind, das ist nicht wirklich Musik: Zu verkrampft kommt das daher, zu gewollt, zu mechanisch und vor allem zu sehr geprägt von der Angst, dass etwas schief geht.

Richtige Musik wird es, wenn die Angst, sich beim nächsten Ton zu verspielen schwindet, sich die Töne miteinander verbinden und zu einem großen Ganzen werden. Dann klingt Musik manchmal richtig begeisternd und zwischen und mit all den Tönen schwingt so viel mit.

Wenn wir mit unserem Tun versuchen, uns vor Gott ins rechte Licht zu rücken, wird es uns gehen wie bei dem Versuch Musik akkurat zu spielen. Es wird alles so halbwegs ordentlich klingen, aber doch verkrampft. Unser Leben wird nicht so richtig nach Musik klingen, sondern nach abgehackten Tonfolgen.

Wenn aber der Glaube und in ihm das Vertrauen darauf, dass Gott uns bereits liebt, unser Leben prägt, dann kommt eine andere Musik ins Leben. Dann können wir von Gottes Geist begeistert in die Tasten des Lebens hauen, ohne Angst, dass wir uns verspielen und dann alles vorbei ist.

Gott zerrt uns ja nicht weg vom Klavier, wenn uns etwas misslingt, sondern er vergibt uns. Und gerade ohne Angst wird das Musizieren auf der Klaviatur des Lebens viel besser gelingen. Das ist insbesondere in diesen Tagen und Wochen, die gerade wieder vermehrt angstgeleitet sind, wichtig.

Zum Schluss: Wer Klavierspielen will, muss regelmäßig Fingerübungen machen. Das gehört dazu. Wer aber glaubt, dadurch die Freude am Klavierspielen zu lernen, der wird enttäuscht werden. Fingerübungen macht vor allem der, der schon Klavierspielen kann und Freude daran hat und weiß, wie gut es ihm tut, wenn er solche Fingerübungen macht.

Martin Luther hat Christen auch solche Fingerübungen ans Herz gelegt. Nicht, um durch sie erst zu Christen zu werden, aber um im Glauben gelenkig zu bleiben. Beten, Lesen in der Bibel und die Bewährung des Glaubens im Alltag, in der Anfechtung. Das gehört für Luther zu den geistlichen Fingerübungen, die uns helfen, dass wir auf der Klaviatur unseres Lebens das Lied des Glaubens spielen.

Im Gebet, im Lesen der Bibel, aber auch im Alltag tritt Christus in unser Leben. Er bringt mit dem Heiligen Geist die Freude an Gott ins Leben. Und das lässt uns das Lied des Glaubens musizieren auch und obwohl der Alltag für die nächsten vier Wochen wieder einmal deutlich eingeschränkter von statten gehen muss.

Aber mit den christlichen Fingerübungen ist auch dann Musik drin in unserem Leben. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. AMEN.

Pastor Florian Reinecke,
November 2020

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